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Bakelit erkennen

Grundsätzlich lässt sich ein künstlicher Stoff mit eindeutiger Sicherheit nur durch chemisch-analytische, invasive Verfahren identifizieren und diese können nur in entsprechend ausgestatteten Laboratorien vorgenommen werden. Solche Analysen sind ebenso aufwendig wie kostspielig.

Will man sein Stück aber nicht beschädigen, aber dennoch eine Wahrscheinlichkeit nahe legen, dass Bakelit vorliegt, bieten sich verschiedene, mehr oder weniger unspezifische Prüfungen an.

Aussehen:

Ein erster Eindruck lässt sich über die Oberfläche des Stückes gewinnen.
Die Farben der Phenolpressmassen – die vorzugsweise als Bakelit gelten – variieren zwischen Schwarz, Dunkelbraun, Rotbraun und Grünbraun, allenfalls war ein gelbliches Braun möglich. Andere Farbverläufen wurden der Masse während des Pressvorganges z.B. durch Kupferpuder und Gesteinsmehl lediglich aufgeschmolzen.

Die im Laufe der zwanziger und dreißiger Jahre entwickelten Phenolgießharze – wozu auch Catalin zählt – und die Aminoplaste (Harnstoff- und Melaninharze), die bis in die sechziger Jahre unter den Begriff Bakelit gefasst wurden, konnten in hellen, bunten und durchscheinenden Farben hergestellt werden. Sie sind “von Natur aus” glatt und weisen oft nur an ihren Unterseiten oder in Zwischenräumen unbearbeitete oder matt geschliffene Schnittflächen des Rohbakelits auf. Im Vergleich sind die Oberflächen der Phenolpressmassen auf Grund der zugefügten Füllstoffe nie glatt, selbst dann nicht, wenn sie wunderbar glänzen. Immer zeichnen sich kleine und kleinste Unebenheiten ab. Oft lassen sich auch kleine Risse und poröse Stellen finden.

Phenolgießharze, wie Catalin, sind nicht leicht von Harnstoffharzen zu unterscheiden. Alle Farben bleichen im Sonnenlicht gleichermaßen aus. Bevorzugt wurden Phenolgießharze der zwanziger Jahre aber in gediegenen Tönen, insbesondere in dem natürlichen Farbspektrum der Bernsteine. Ihre Formteile wurden meist im Nachhinein zusammengesetzt. Sie sind verzinkt, genagelt, auch verschraubt, aber nicht geklebt. Man begann erst Ende der fünfziger und sechziger Jahre kleinere Teile – vor allem im Bereich Schmuck – miteinander zu verkleben. Im Vergleich zu Catalin, weisen die Lokalfarben der Harnstoffharze insgesamt mehr Leuchtkraft auf. Betrachtet man letztere direkt vor einer Lichtquelle werden noch Wellen und Rippen sichtbar. Oft wurden diese Schlieren durch Hinzufügung subtiler Farben zusätzlich verstärkt. Dadurch entstand der Effekt einer Marmorierung.

Im Gegensatz zu den Harnstoffharzen wurden Stücke aus Catalin eher dicker ausgeformt. Bevorzugt kombinierte man auch verschiedene Lokalfarben in einem Stück. Behältnisse aus Harnstoffharzen sind dagegen eher dünnwandig und beschränken ihre Farbauswahl meist auf ein bis zwei Farben.

Hör-Test:

Bakelite klingen – sofern sie sich aneinander stoßen lassen – kräftig und hell, vergleichbar den Tönen die Castagnietten erzeugen. Dünnwandige Stücke klingen ähnlich, aber leiser, schon wenn man sie mit dem Fingernagel anschnippt.

Riech-Test:

Unverwechselbar ist der Geruch, den Phenolharz beim Erhitzen erzeugt. Der Versuch an der Oberfläche zu reiben bis es heiß wird, ist oft erfolglos und daher nicht sehr aussagekräftig. Gießt man heißes Wasser darüber, vermag man eher zu Erfolg kommen. Bei Phenolharzen wird ein typischer Formaldehydgeruch frei, der als Allerweltschemikalie auch über viele stechende Desinfektionsmittel bekannt ist. Harnstoffharz riecht dagegen „fischig”, Galalith nach „verbrannter Milch” und Celluloid nach Kampfer oder Essig.

Färbe-Test:

Reibt man mit einem Tuch, oder einem Q-Tip, das mit einer Silber- oder Chrompolitur getränkt ist, an dem Stück, färbt es sich gelblich. Ratsam ist es, dafür eine uneinsehbare Stelle zu wählen, weil diese Anwendung die Oberfläche etwas angreift. Der “Gelbton“ variiert von Stück zu Stück, denn sowohl die verschiedenen Phenolharze, wie die Farben selbst, liefern jeweils ein unterschiedliches Gelb. Beispielsweise erzeugt ein Grün einen etwas dunkleren Gelbton als ein Rot.

Dieser Test kann nur funktionieren, wenn das edle Stück nicht lackiert ist, oder seine „Patina” nicht bereits restlos entfernt wurde.

Hitze-Test:

Erhitzt man eine Nadel und bringt diese mit dem Kunststoff in Verbindung, bleibt das Stück – wenn Bakelit vorliegt – unbeschädigt. Dabei ist äußerste Vorsicht geboten, denn manche Kunststoffe sind entflammbar, oder verändern sich an der betreffenden Stelle farblich. Bernstein wird sich sogar verformen.

Gewicht:

Im Vergleich zu den jüngeren, seit den fünfziger Jahren auf der Basis von Erdöl produzierten Kunststoffen – auch im Vergleich zu natürlichem Bernstein – ist die Familie der Bakelite schwerer. So schwimmt Bernstein in einer 16-prozentigen Lösung von Kochsalz in Wasser (weißer und schwarzer Bernstein schwimmt noch in einer 6-prozentigen Lösung), während Bakelite absinken.

Marken:

Über Markierungen von Kunststoffen könnte manches zusammengetragen werden. Bereits eine Zusammenstellung nur der wichtigsten Hersteller und weiterverarbeitenden Betriebe ist ein Desiderat von Forschern und Sammlern.

Hier kann nur so viel Erwähnung finden: In Deutschland wurden ab 1928 die Rezepturen, die jeweils speziell auf ihren Gebrauch hin entwickelt waren, mit einem Kontrollstempel des Materialprüfamtes Berlin-Dahlem, den die „Technische Vereinigung der Hersteller und Verarbeiter typisierter Kunststoff-Formmassen e.V.” einführte, versehen. In dem Prüfzeichen identifiziert ein zweistelliger Code über dem stilisierten M das Presswerk, der Code unter dem M die Art der Pressmasse.

Bei den Handelsnamen von Kunstoffen war und ist es in Deutschland noch oft verbreitet, Firmen und Ortsnamen einzubinden. Beispielsweise hat die damalige Firma Albert die Phenoplast-Lackharze herstellte, die Bezeichnungen Albertol, Albertit und Albermit eingeführt. Ebenso dürfte man bei der H.Römmler AG in Spremberg auf den Namen „Hares” gekommen sein, das den Initialen „HRS” erwachsen war.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel

Zu Bakeltit bzw Kunststoffen siehe weiterführend im Sammler Journal Artikel von Dr. H. Rezepa-Zabel: Bakelit, Teil 1, in: Sammler Journal, Dezember 2009, S.50-59; Teil 2, in: Sammler Journal, Januar 2010, S.48-57. Kunststoffe 40er- bis 70er Jahre, Teil 1, in: Sammler Journal, Januar 2012, S.52-58; Teil 2, in: Sammler Journal, Februar 2012, S.52-58; Teil 3, in: Sammler Journal, März 2012, S.94-99.

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FUGA

Sven Palmqvist experimentierte für die schwedische Glasmanfaktur Orrefors ab 1939 mit sich drehenden Stahlformen. Die heiße Glasmasse wird mittels der Zentrifugalkraft in eine Form gegossen, die sich mit bis zu tausend Umdrehungen in der Minute dreht.

In den späten 1940er Jahren griff Palmqvist die Idee wieder auf und ab 1953 wurden FUGA oder auch COLORA genannte Glasschalen angeboten. Später wurde diese Technik von anderen Designern wie zum Beispiel Jan Johansson aufgegriffen.

Sigrid Melchior M.A., Expertin für skandinavisches Glas.

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KRAKA

Der Name geht auf einen altnordischen Mythos zurück. Die weise Frau Kraka wird von einem Mann zu einem Treffen gebeten. Die daran verknüpfte Aufgabe ist es, sich weder bekleidet noch unbekleidet einzufinden. So schlingt sie sich ein Fischernetz sich und erscheint. Sven Palmqvist hat 1944 für die schwedische Glasmanufaktur Orrefors auf Basis von GRAAL-Glas die KRAKA-Technik entwickelt. Palmqvist hat Netze aus feinem Draht oder Kunststoffe auf ein vorgefertigtes Werkstück aufgebracht, das im Anschluss sandgestrahlt oder in Säure getaucht wird. Nach dem Abnehmen des Netzes hinterlässt es einen Abdruck aus feinen Stegen und Vertiefungen. Daraufhin wird das Glas nochmals erhitzt, farblos überstochen und ausgeblasen. Luftblasen können sich bei diesem Prozess in den Vertiefungen verfangen. Doch erst seit 1947 wurden sie Teil des Dekors, als auch die für KRAKA-Glas heute üblichen Farben blau und gelb das weiß der Jahre davor abgelöst hatten.

Sigrid Melchior M.A., Expertin für skandinavisches Glas.

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Die Gute Form in den nordischen Ländern

Die Skandinavier besitzen ein außergewöhnliches gestalterisches Talent. Über Jahrhunderte war ihre Kultur durch die schlichten Gebrauchsformen des ländlichen Geräts bestimmt und das Gefühl für gute Formen fest in der breiten Bevölkerung verankert. Bis heute zeichnet die gewachsene Verbindung schöner organischer Formen mit hoher Gebrauchstüchtigkeit im Alltag skandinavischen Designs aus.

In den Jahren zwischen den Kriegen rückten Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland zu beachteten Zentren des Kunsthandwerks und der vorbildlichen Serienproduktion von Gebrauchsgerät auf. Ihre Formkultur hatte mit der Werkbundbewegung ungeahnte Aktualität gewonnen. Die „volksnahen“ Entwürfe erfüllten die im Werkbund ausgerufenen Forderungen nach Gediegenheit, nach Funktionalität, nach Qualität. Sie eigneten sich vorbildlich die Kluft zwischen Kunsthandwerk und Industrieproduktion zu überbrücken.

Den Anfang machte dabei die Glasproduktion. Die führende Hütte Kosta und die kleinere Manufaktur Reijmyre hatten um 1900 bereits mit guten Jugendstilgläsern auf sich aufmerksam gemacht. Die 1898 gegründete Manufaktur Orrefors stellte ab 1913 ihr gesamtes Produktionsprogramm, auf die Zusammenarbeit von Künstlern und Handwerkern ab. In den 20er Jahren war die Firma bekannt für gutes Geschirr in den mittleren Preislagen und für die kunstvollen Ausstellungstücke von Edward Hald (1883-1980) und Simon Gate (1883-1945). Die formal und technisch neuartige Schüssel von Gate markierte für die Weltausstellung in Stockholm einen überraschenden Aufbruch. Beide Künstler verschafften der Hütte ein unverwechselbares Profil, das bald alle anderen Länder des Nordens beeinflusste. Die konsequentesten Entwürfe im Sinne des Funktionalismus der Zeit sind die Gläser Gerda Strömbergs für die Hütte Eda und Strömbergshyttan. Sie beschränken sich auf klare Konturen, die sich meist auf elementare stereometrische Formen wie Kugel, Kegel und Ellipse beziehen.

Die Tendenz zur Modernisierung wurde zusätzlich verstärkt durch wirtschaftliche und soziale Veränderungen. Das verdeutlicht der Designwettbewerb für Massenprodukte aus Glas, den die finnische Firma Karhula 1932 ausschrieb und den Aino Marsio Aalto mit schlicht gerippten Modellen gewann.

Die fünfziger Jahre brachten die schrittweise Ablösung der bisherigen Dominanz der schwedischen Glashütten durch finnische Manufakturen, namentlich die in Riihimäki, in Ittala und in Nuutajärvi. Die Entwicklung des Gebrauchsglases wurde vor allem von Entwerfern wie Kaj Franck, Tapio Wirkkala und Timo Sapaneva bestimmt. Ihre Entwürfe erhielten auf den, für die fünfziger Jahre als Entwicklungsbarometer fungierenden, Mailänder Triennalen die großen Auszeichnungen.

Expertenanfragen bezüglich Gläsern der Hütten Flygsfors, Holmegaard, Iittala, Karhula, Kosta Glasbruk, Nuutajärvi, Orrefors, Riihimäki richten Sie bitte an Sigrid Melchior M.A. für design20.eu.

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Kosta glasbruk

1741 erwarben die Generäle Anders Koskull und Georg Bogislaus de Staël von Holstein eine Lizenz für eine Glashütte. Kosta glasbruk benannt nach den beiden Gründern – durch Zusammenziehen der ersten Silben ihrer Familiennamen (Ko/Sta=Kosta) – konnte schon 1742 in der rohstoffreichen Region Småland eröffnen und ist heute die älteste schwedische Glashütte in Betrieb.
Anfangs wurde einfaches Fenster- und Hohlglas für den täglichen Gebrauch produziert, später kamen verzierter Tafelschmuck und Kronleuchter für den Königlichen Hof in Stockholm sowie für schwedische Kirchen hinzu. Während des gesamten 19. Jahrhunderts wurde die Glashütte immer wieder modernisiert, dazu gehörte unter anderem die Produktion von Schliff- und Pressglas und von Lampen.

Zur Herstellung von Kunstglas, das lediglich einen kleinen Teil der Produktion ausmachte, folgte Kosta  ab den 1890er Jahren dem Beispiel internationaler Manufakturen und stellte 1898 mit Gunnar G:son Wennerberg (1863-1914) den ersten Künstler als Entwerfer für Form und Dekor ein. In den kommenden Jahren prägten der Schleifer Axel Enoch Boman (1875-1949), der Maler Edvin Ollers (1888-1960) sowie die Künstler Sven Leonard Erixson (1899-1970), ab den 1920er Jahren Ewald A.F. Dahlskog (1881-1950) und Elis Bergh (1881-1954) die Linie des repräsentativen Kunstglases. Bergh prägte als künstlerischer Leiter die Glashütte bis 1950 und war mit weit über 2500 Entwürfen der produktivste Formgeber Schwedens. Sein Nachfolger Vicke Lindstrand (1904-1983) entwickelte in den 1950er Jahren ein neues Produktionsprogramm, das neben den Gläsern für die Massen das kreative Kunstglas weiterhin förderte. Lindstrand selbst führte neue Verfahren beim Zwischenschichtdekor ein und schuf freie, geschliffene Glasskulpturen.

1964 fusionierte der damalige Hüttenbesitzer Erik Åfors Kosta mit Boda Bruks AB und weiteren Hütten unter dem Namen Kosta Boda AB. Auch unter der neuen Geschäftsleitung wurden weiterhin Künstler beschäftigt, unter anderen Mona Morales-Schildt (geb. 1908), Ann Wärff (geb. 1937), Göran Wärff (geb. 1933), Rolf Sinnemark (geb. 1941) und Sigurd Persson (geb. 1920). Nach 1970 erlebte Kosta Boda AB mehrere Besitzerwechsel, bis 1990 die Übernahme der Hütte durch ihren größten Konkurrenten Orrefors erfolgte. Die drei Manufakturen firmierten unter der Bezeichnung Orrefors Kosta Boda AB. Heute gehört die Gruppe zur schwedischen Holding New Wave Group AB, die die Aufrechterhaltung der eigenständigen Programme von Kosta Boda und Orrefors weiter fortsetzt.

Derzeit wird die farbenfrohe Linie von Designern wie Olle Brozén (geb. 1963), Anna Ehrner (geb. 1948), Kjell Engman (geb. 1946), Ulrica Hydman-Vallien (geb. 1938), Åsa Jungnelius (geb. 1975), Ludvig Löfgren (geb. 1972), Bertil Vallien (geb. 1938) und Göran Wärff geprägt.

Sigrid Melchior M.A., Expertin für skandinavisches Glas.

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Metallkunst im Sinne des Bauhauses

Das Deutsche Goldschmiedehaus in Hanau präsentiert bis zum 5. Juli 2009 mit der Sammlung von Giorgio Silzer mehr als 250 Objekte aus Messing, Kupfer, Zinn, Silber und Aluminium. Mehrteilige Tee- und Mokkaservice, Kannen, Schalen, Platten, Vasen, Becher, Kerzenleuchter sowie Likörsets und Schreibzeuge dokumentieren eindrucksvoll die Vielseitigkeit von handwerklicher Ausführung und maschineller Fertigung der Metallkunst des frühen 20. Jahrhunderts. Namhafte Bauhaus Künstler wie Marianne Brandt, Christian Dell, Emmy Roth, Karl Raichle, Hayno Focken sowie ausführende Werkstätten und Firmen wie Treusch in Leipzig; Christopfle & Cie in Paris, Wilkens & Söhne AG Bremen, die WMF in Geislingen, die Metallwarenfabrik Ruppelwerk in Gotha oder die Werkstätte für künstlerische Metallbearbeitung Albert Gustav Bunge belegen das breite Spektrum der Metallgestaltung inder ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Der aus Oberschlesien stammende, international bekannte Geiger und frühere Konzertmeister Giorgio Silzer (geb. 1920) trug im Laufe seiner Sammeltätigkeit eine umfangreiche Kollektion von kunsthandwerklichen Arbeiten im Bereich Metallkunst, Glas und Keramik im Besonderen des Jugendstils, des Art Décos und Funktionalismus im Sinne des Bauhauses zusammen.

Die Ausstellung „Metallkunst im Umbruch 1920er bis 1950er Jahre. Sammlung Giorgio Silzer“ ist täglich, außer montags, von 11.00 bis 17.00 Uhr, bis 5. Juli im Deutschen Goldschmiedehaus Hanau zu sehen.

Deutsches Goldschmiedehaus Hanau, Altstädter Markt 6, 63450 Hanau.
www.gfg-hanau.de, www.museen-hanau.de

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Bauhaus Re-Design

Die allgemein verbreitete Vorstellung vom „Bauhausstil“ speist sich heute vor allem aus den vielfach vermarkteten Freischwingern und der so genannten Bauhausleuchte. Als „Bauhausklassiker“ haben sie das Geschichtsbild gleichzeitig verzerrt, wie vereinfacht – durch ihre Auswahl wie durch ihre Ausstattung. Sie werden mit und ohne Lizenz vertrieben – unter der Bezeichnung Replik oder Kopie, obwohl hier „Neuproduktion“ zutreffender wäre.

Die Freischwinger mit denen das Bauhaus meist identifiziert wird, entwarf Marcel Breuer erst, nachdem er die Schule verlassen hatte. In der Regel wurden sie mit unterschiedlichen Textilbespannungen ausgestattet, der stark farbig sein konnte. Ihre Bespannungen mit Leder war eine reine Erfindung der Nachkriegszeit. Ab 1927 wurde das am Bauhaus entwickelte Eisengarn, aus fest verzwirntem, paraffiniertem Baumwollgarn verwendet.

In den ersten Jahren war das Gestell vernickelt. Eine Verchromung wurde erst ab 1928 möglich, war aber kostspielig, so dass man erst allmählich dazu überging, die Grundmetalle wie Messing oder Tombak nicht mehr nur zu vernickeln. Man sah Vor- und Nachteile: die Vernickelung wurde mit der Zeit matt, wies aber gegenüber dem weiß-bläulich schimmernden, harten Glanz des Chroms einen leicht gelblichen Farbton auf und dieser wirkte wärmer und deshalb vorerst angenehmer.
Durchaus beliebt war auch eine farbige Lackierung der Rohre. In einem Katalog von 1930 wurden 14 Farbtöne angeboten, darunter Zitronengelb, Erbsengrün und Violett.

Erst nach 1945 avancierte das Re-Design in Chrom und Lederbespannung, vor allem in schwarz oder weiß zum Klassiker. Nur so erschienen die Stühle und Sessel in den Banken, Praxen vereinzelt auch in den Wohnungen weniger anspruchslos und lebendig, optisch schwerer und zusätzlich künstlich veredelt.

Die Bauhausleuchte, wie sie heute angeboten wird und nachdem sie 1980 überarbeitet wurde, entspricht in vielen Details und in den Proportionen aller Teile nicht mehr dem „Original“ von Wilhelm Wagenfeld aus den Jahren 1923/4. Das sichtbare Gewinde rutschte nach oben, die Glühbirne sitzt heute höher, der Metallzylinder im Glasschaft zeigt einen zusätzlichen Absatz.
Und nachdem Walter Gropius und sein Mitarbeiter Adolf Meyer in Weimar 1922 ihrem Türdrücker entwarfen – gleichsam einer Skulptur aus Zylinder und Vierkantstab, einer quadratischen Rosette mit Schrauben in ihren vier Ecken befestigt – gab es in Folge für unzählige Ästhesierungen keinen Halt mehr.

Im Überfluss ist der Gebrauch immer weniger ein Argument. Der Wert der Dinge muss an ihnen selbst zu Ausdruck kommen. Bereits früher war die Anspruchslosigkeit vieler Objekte, dünnes Metall oder technisches Material problematisch, wie Marianne Brandt berichtete: „Den Leuten war Aluminium etwas Fatales, wir haben die Schirme der Leuchten deshalb manchmal auch farbgespritzt.“ Mittlerweile sind ähnliche Aluminiumleuchten in vielen Möbelhäusern erhältlich und das Bauhausprodukt würde sich für ein ungeschultes Auge wenig von ihnen unterscheiden.

Die Neuproduktionen betonen nun die Eleganz und den Wert des vom Künstler entworfenen Produktes. Die Fruchtschale von Josef Albers, im Original vernicket oder verchromt, wird nun versilbert, es gab auch schon den versilberten Weißenhof- Stuhl.

Wie hätte Gropius darüber geurteilt? Vermutlich von der Anwendung her zugestimmt, aus demokratischer Sicht sicher abgelehnt!

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Das Bauhaus weltweit

Nicht nur, dass das Bauhaus in diesem Jahren auf 90 Jahre seines Bestehen zurückblicken kann und deshalb drei renommierte Designinstitute eine gemeinsame große Ausstellung, auf den Weg bringen, weit beeindruckender in die Tatsache, dass weltweit das Modell Bauhaus, seine umfassende Bedeutung für die Entwicklung und Internationalisierung der Moderne anerkannt wird und entsprechend rund um den Erdball Designmuseen dem „Old“ Bauhaus einen bedeutenden Platz einräumen.
Seine weltumspannende Ausstrahlung und Vorbildfunktion liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass in Weimar und Dessau die besten Kräfte aus fast ganz Europa an einen Platz zusammenziehen konnten und das sowohl auf der Seite der Lehrer, wie der Studenten. Lehrer wie Walter Gropius, Johannes Itten, László Moholy-Nagy, Marcel Breuer, Christian Dell, Gerhard Marcks, Georg Muche, Mies van der Rohe und ihre begabten Studenten wie Marianne Brandt, Herbert Bayer, Otto Lindig und Wilhelm Wagenfeld zählen zu den Legenden der angewandten Künste weltweit. Das Bauhaus, seine Ideologie ist längst kollektives Erbe.

Dass am Bauhaus so Herausragendes geleistet wurde, war nicht einfach nur Glück oder Zufall, sondern es war das Ergebnis der harten Arbeit der besten, die sich in euphorischen Zeiten in gegenseitiger Konkurrenz das Äußerste abverlangten. Mittelmaß war tabu. Es ging immer um kategorische Lösungen, alles auf einen Punkt bringende Ideen, um die alle Gegensätze in einem Formkonzept vereinigende Synthese. An der Lösung des Freischwingers hatten mit Mart Stam, Marcel Breuer und Mies van de Rohe bereits die Allerbesten gearbeitet und als die Lösung gefunden war, gab es nicht zu verbessern.
Viele der im Bauhaus entwickelten Produkte, im Besonderen die Stahlrohr-Stuhle und Sessel (metal tubular chairs) sind wahre Klassiker geworden. Sie überdauern inzwischen einen Zeitraum von über 50 Jahren und das ist so etwas wie ein kleines Weltwunder, denn in unseren schnelllebigen Zeiten kann ein Objekt bereits dann als Klassiker gelten, wenn er es schafft noch nach zehn Jahren lieferbar zu sein. In den 70er und 80er Jahren hatte sich die Moderne endgültig durchgesetzt und wurde sogar populär. Damit begann ein kommerzieller Ausverkauf von zum Teil autorisierten Nachbauten, aber überwiegend angeregt durch unautorisierte Imitationen bzw. leicht veränderte Stilimitate bzw. Persiflagen.

Vom 22. Juli bis 4. Oktober werden im Martin-Gropius-Bau in Berlin wieder Originale zu sehen sein. Veranstalter der „Modell-Bauhaus“ Ausstellung sind die drei deutschen Bauhaus-Institutionen: das Bauhaus-Archiv in Berlin, die Stiftung Bauhaus in Dessau und die Klassik Stiftung Weimar in Kooperation mit dem Museum of Modern Art in New York.

Die weltweit umfangreichste Sammlung an Artefakten und Dokumenten zum Bauhaus, wozu eine einzigartiges Dokumentar – und Kunstfoto-Archiv mit insgesamt etwa 50.000 Motiven zählt, besitzt das Bauhaus-Archiv. Dagegen ist die Stiftung Bauhaus Dessau vor allem ein Ort der Forschung, Lehre und experimentellen Gestaltung. Neben der Pflege, Erforschung und Vermittlung des Bauhauserbes beschäftigt sich die Stiftung mit den urbanen Herausforderungen der Zeit, lotet Optionen für die Zukunft aus und entwickelt Entwürfe in Architektur, Design und darstellender Kunst. Das in Weimar ansässige Bauhaus-Museum ist Teil der Stiftung Klassik. Die historische Sammlung geht direkt auf die Zeit des Staatlichen Bauhauses Weimar 1919-25 zurück. Nach der Übernahme des Bauhauses durch die Stadt Dessau im April 1925 wurden durch Walter Gropius zusammen mit dem damaligen Museumsdirektor rund 150 Arbeiten aus den Weimarer Bauhaus-Werkstätten ausgesucht, die in dort verblieben. Diese bildeten die Basis für das 1995 gegründete Bauhaus-Museum, dessen Sammlung heute ca. 10.000 Exponate aufweist.

Im Anschluss an die Berliner Präsentation wird das Museum of Modern Art in New York seinen 80. Geburtstag mit der Ausstellung „Bauhaus 1919 – 1933: Workshops for Modernity“ begehen. Den internationalen Auftakt, bildete bereits die im März beendete Ausstellung „bauhaus experience, dessau“ in Kooperation mit der Tokyo University of Fine Arts and Music (Gedai University). Über 300 Exponate der Stiftung Bauhaus Dessau wurden mit der bedeutenden Bauhaus-Sammlung des Utsonomya Museum of Art, zusammengeführt. Einhundert Kilometer nördlich von Tokyo gelegen, zählt dieses moderne Kunstmuseum zu jenen Institutionen in Japan, die sich insbesondere der klassischen Avantgarde und Strömungen der Gegenwartskunst widmen.
Neben diesen drei großen Veranstaltungen wird weltweit, allein deutschlandweit in über 50 designrelevanten Museen eine Fülle von Begleitveranstaltungen und Ausstellungen geboten, die zwangsläufig aus dem Fokus der Öffentlichkeit geraten. Einen eigenen umfassenden Kalender kann es kaum geben. Design20.eu wird deshalb in einer Folge auf Sehenswertes hinweisen und punktuell Sammlungen vorstellen. Hinweise und Anregungen sind hier willkommen.

Dr. Heide Rezepa-Zabel

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Chrom und Galalith erobern den Modeschmuck

Die Geschichte und Bedeutung des Galalith-Schmucks in Deutschland, auch in Europa und Amerika kann bisher nicht geschrieben werden. Mit Blick auf die Galalith-Schmuckproduktion der Firma Jakob Bengel in Idar-Oberstein kann nur ein kleiner Ausschnitt dieser hochinteressanten Materie beleuchtet werden.

In den 30er Jahren hatte man diesem Schmuck aus „nur Kunststoff“ keine große Bedeutung zuerkannt und so mag es auch nicht verwundern, dass man in den einschlägigen, zeitgenössischen Fachzeitschriften kaum einen nennenswerten Hinweis auf Galalith-Schmuck findet. Das Fachblatt der Goldschmiede und Juweliere, widmete dem Modeschmuck Ende der 30er Jahre immerhin einen Aufsatz und lobte die Vorzüge dieses Materials. Von seiner Besonderheit in der Bearbeitbarkeit war die Rede, seine Funktion als „billiger Ersatzstoff“ stand im Vordergrund. Der gesetzlich geschützte Produktname „Galalith“ wurde gar nicht genannt. Es war lediglich vom „Edelharz“ die Rede. Als „kühle Ergänzung, aber auch beliebter Kontrast zu dem farbigen Galalith mit seiner seidig schimmernden oder auf Hochglanz polierten Oberfläche dienten vernickeltes oder verchromtes Messing oder Tombak. Chrom wurde seit Ausgang des 19. Jahrhunderts genutzt. Die großindustrielle Nutzung ist etwa zeitgleich mit der des Galaliths anzusetzen. Um 1930 war seine Verwendung noch sehr kostspielig, erst allmählich ging man dazu über, die Grundmetalle wie Messing oder Tombak nicht nur zu vernickeln sondern zu verchromen.

Heute fasziniert neben der Leuchtkraft und Klarheit der aufeinander treffenden Materialien, dass industrielle Produktion und herausragende Gestaltung bereits in den 30iger Jahren nicht als Widerspruch betrachtet wurden, dass die gestaltete Form dem Schmuckobjekt zu einer zeitlosen Wertigkeit verhalf.

Da die Sammelleidenschaft für diese Entwürfe den europäischen Raum bereits erobert hat, wird in diesem Bereich zukünftig mehr zu erhoffen sein.  Mit der Einrichtung der Bengel-Stiftung im Jahr 2001 ist der Grundstein für die Erforschung der Modeschmuckindustrie bereits gelegt.

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Modeschmuck für die Frau von Welt

Plötzlich auf Modediktat geschieht das Erstaunliche: der verwöhnteste Geschmack trifft `unechten Schmuck´. Paris hat die Mode des unechten Schmucks geschaffen, London fördert sie und nun breitet sie sich überall aus. Ein wahrer unechtstaumel hat den Schmuckmarkt ergriffen…„, schreibt ein Kommentator der „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ im Jahre 1925.

Als vor ungefähr zwanzig Jahren der erste Art Déco-Schmuck, Halsketten, Colliers und Armbänder aus verchromten Metall mit kräftig farbigen Akzenten auftauchten, war man von diesem Modeschmuck im sachlich-kühlen Bauhausstil sofort begeistert. Ihre Identifizierung war jedoch nicht möglich, da keine Kette mit einer Künstler-Marke oder einem Firmensignet versehen war. Man kannte weder den Hersteller noch das Land, in dem diese Preziosen produziert wurden.

Als nun vor einiger Zeit Musterbücher auftauchten, in denen die Vorlagen bzw. Muster zu finden waren, dauerte es nur kurze Zeit bis man schließlich zum Ausgangspunkt dieses außergewöhnlichen Schmucks gelangte, nach Idar-Oberstein zur Firma Jakob Bengel.

Die Wiederentdeckung der Kollektionen war der Wiederentdeckung der historischen Musterbücher, in denen die Vorlagen bzw. Muster für diesen außergewöhnlichen Schmuck zu finden waren, zu verdanken. Ihr Studium bringt die unglaubliche Vielfalt und das kaum zu überschauende Formenrepertoire dieser Schmuckproduktion ans Tageslicht.

Aber auch neue Erkenntnisse im Bezug auf die Modeschmuckproduktion der Firma Henkel & Grosse in Pforzheim konnten gewonnen werden. Seit langem ist bekannt, dass Henkel & Grosse seinen seit den 1950er Jahren angebotenen Dior-Schmuck in Kaufbeuren-Neugablonz fertigen lässt. Die Musterbücher der Firma Bengel zeigen jetzt, dass auch Modelle aus der Galalith und Metallschmuckserie der 1930er Jahre nicht in Pforzheim, sondern in Oberstein für Henkel & Grosse gefertigt wurden.

Vgl. weiterführend Weber 2002.

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Original oder Fälschung am Beispiel der Aluminium Group

Die Preise für die „Alu Chairs“ der amerikanischen Designer Charles und Ray Eames erreichen inzwischen vierstellige Summen für Originalanfertigungen aus den fünfziger und sechziger Jahren und ausgewiesene Folgeeditionen. Weil diese Möbel, die im Prinzip zur industriellen Serienproduktion bestimmt waren, seit über 5O Jahren für den Wohn- und Arbeitsbereich nachgefragt werden und zu den bedeutendsten Möbelentwürfen des letzten Jahrhunderts zählen, haben sie nicht zuletzt deshalb viele Plagiatoren mobilisiert.

Die EA 107/8 und EA 117 gehören zur 1958 entworfenen Aluminium Group. Sie alle basieren auf demselben Prinzip: der Bezug wird mit seitlichen Aluminiumprofilen befestigt. Er ist damit keine Hülle, sondern ein tragender Teil der Struktur. Die Aluminiumkonstruktion bleibt deutlich sichtbar und verleiht dem Stuhl sein charakteristisches Aussehen.
Technisch wie formal waren diese Stühle der Ausgangspunkt für viele weitere Experimente und Entwürfe der Eames.
Ursprünglich für Außenräume entwickelt, ist die gesamte Kollektion mit ihren Bezügen aus Leder, Netzgewebe oder Hopsak besonders langlebig. Dafür garantiert der Hersteller Vitra, einziger lizenzierter Produzent der Eames-Möbel in Europa.

Dementsprechend sind alle Originale an der Unterseite des Gestells bzw. der Schale mit dem Produktlabel „Design by Ray & Charles Eames“ versehen. Ihre Originalität erschließt sich letztlich aber nur an der hochwertigen Ausführung.
Die meisten Fälscher führen den Käufer bewusst in die Irre, indem sie die einzelnen Designmerkmale dem Vorbild getreu nachahmen. Beispielsweise bleiben die Bezugschrauben an der Rückenlehne ohne Funktion, und die gegenüber dem Original verschweißten Nähte sind verklebt. Solche Unterschiede offenbaren sich erst nach geraumer Zeit. Demgegenüber leichter lässt sich die Qualität der Verchromung überprüfen und eindeutig zeigt sie sich am Sitzkomfort und an der Konstruktion. Bei der Polsterung hilft ohne den Vorsprung der Erfahrung ein Blick in das Innenleben, und im Fall der Konstruktion überzeugt die Tatsache, dass die Schale im Design von Ray & Charles Eames aus nur einem Teil besteht. Nachahmer produzieren Sitz und Rückenlehne eher getrennt.

So wie kein Entwerfer dem Designerpaar ebenbürtig war, ist natürlich auch keine Kopie dem Original mehr als äußerlich ähnlich.

Dr. Heide Rezepa-Zabel