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Keramik von Ettore Sottsass

Ettore Sottsass gehört zu den bedeutendsten italienischen Designern des 20. Jahrhunderts. Wahrgenommen wurde er von der Öffentlichkeit vor allem als wichtiger Vertreter der Postmoderne und Mitglied der Künstlergruppen Memphis und Alchimia. Doch betrachtet man sein Gesamtwerk, so lässt sich dieses keineswegs auf die postmoderne Formensprache der 1980er-Jahre reduzieren. Im Gegenteil: Ettore Sottsass war ein erstaunlich kreativer Künstler, der sich intensiv mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzte, die Entwicklungen seiner Zeit verfolgte, verschiedene Materialien verarbeitete und damit nach immer neuen Ausdrucksformen suchte. Auch in der Keramik! Das Düsseldorfer Hetjens-Museum widmet dieser künstlerischen Seite eine große Ausstellung, die nun bis zum 22. April 2012 verlängert wurde.

1917 in Innsbruck geboren, trat Ettore Sottsass zunächst in die Spuren seines Vaters und absolvierte wie dieser ein Architekturstudium. 1946 verlegte er seinen Wohnsitz in das prosperierende Mailand und entwarf Messestände, Möbelstücke, Bühnenbilder, Stoffe, Teppiche und Vasen. Zudem beteiligte er sich an Architekturwettbewerben, malte und fertigte Skulpturen. Bereits in diesen Jahren begann er auch, Beiträge für die renommierte Kunstzeitschrift DOMUS zu verfassen.

Eine Reise 1956 in die USA hinterließ nachhaltige Eindrücke. Er wurde mit einer sich rasant entwickelnden Konsumgesellschaft und einer Vielzahl technischer Neuerungen konfrontiert. Er erkannte, dass man sich als Entwerfer mit den industriellen Produktionsmethoden auseinandersetzen muss. In künstlerischer Hinsicht faszinierte ihn die Malerei der Pop-Art. Von ihr ließ er sich zu phantasievoll-farbkräftigen Ausdrucksformen anregen. Damit fand die Pop-Art Einzug in das Design.

Vier Jahre später reiste Sottsass in die entgegengesetzte Richtung, nach Indien. Auch dieses Land hinterließ bleibende Eindrücke, von denen er Zeit seines Lebens zehrte. Er studierte Menschen, Landschaft und Architektur und setzte sich mit der hinduistischen Religion auseinander. Dabei fiel ihm das magisch-religiöse Verhältnis der Menschen zu Alltagsdingen auf. Sottsass schrieb: „Die Orientalen wurden nie müde, auf Porzellan und Keramik sakrale Symbole zu übertragen.“ In Abkehr vom Rationalismus und einer betont sachlichen Formensprache, wie sie das Bauhaus vertrat, versuchte er fortan, seinen Entwürfen eine größtmögliche Ausdruckskraft zu verleihen. Sie sollten den Nutzern helfen, sich bewusster mit dem Menschsein, den eigenen Emotionen und auch gesellschaftlichen Phänomenen auseinanderzusetzen. Er sah sich als Designer in der Pflicht, den Menschen Objekte in die Hand zu geben, die sie individuell nutzen können – weitgehend frei von Wertvorstellungen und tradierten Verhaltensmustern.

Zur Keramik kam Sottsass eher zufällig 1956 durch einen Auftrag des Amerikaners Irving Richards, der ihn mit der italienischen Keramikfirma Bitossi in Montelupo bekannt machte. Dort bekam Sottsass die Möglichkeit, mit dem Material Ton zu experimentieren und nutzte dies intensiv bis in die 1960er-Jahre. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Unikate, aber auch erste Serien – vornehmlich von Vasen und Tellern. In der Folgezeit entwarf Sottsass auch für andere Firmen und Galerien und wagte sich an große Formate mit einer Höhe von bis zu zwei Metern.

Bis ins hohe Alter war Ettore Sottsass tätig; 2007 starb er 90-jährig in Mailand. Die Ausstellung im Hetjens-Museum ist die erste umfassende Präsentation seines keramischen Werkes. Es spiegelt die wichtigen Lebensstationen des Künstlers und seine vielfältigen Inspirationsquellen wider. Die Leihgaben stammen aus Italien, den Niederlanden sowie der Schweiz und schließen auch Beispiele seines zeichnerischen und fotografischen Werkes ein.

Hetjens-Museum/Deutsches Keramikmuseum, Schulstraße 4, dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet (mittwochs bis 21 Uhr).

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Die zeitlose Form – Porzellan- und Keramikentwürfe von Hermann Gretsch

Dem neben Wilhelm Wagenfeld bedeutendsten deutschen Designer Hermann Gretsch (1895 – 1959), ist seit über 50 Jahren keine Einzelausstellung gewidmet worden. Das hängt mit seiner Nähe zum Nationalsozialismus zusammen.

Achtzig Jahre sind vergangen, seit Gretsch mit >Arzberg 1382< das klassische Porzellangeschirr des 20. Jahrhunderts schuf, wie der VW Käfer, ein Meilenstein der deutschen Geschichte.

Das Hotelgeschirr >Schönwald 98<, aktuell in 38 Farben bei Dibbern im Programm, die Steingutserien Freia und Senta für Villeroy & Boch Dresden, die Erfolgsform 3480 mit volkstümlichen Dekoren wie „Hansi“ und „Schotten“, sind in der Ausstellung ebenso zu sehen, wie das freundlich blaue- und gelbe Nachkriegsgeschirr aus Hartsteingut von Steuler/Mühlacker.

Heinz-J. Theis

5.11.2011. – 30.1.2012 Fr. – Mo. 13 bis 17 Uhr im Keramik Museum Berlin, Schustehrusstraße 13 10585 Berlin

Zur Eröffnung am Freitag, den 4.11. um 19 Uhr spricht Dieter Högermann, Kunsthistoriker und Sammler aus Berlin.

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Dosen und Verpackungen nach Entwürfen von Emanuel Josef und Ella Margold für die Keksfabrik Bahlsen

Bahlsen Keksdosen - Design: Emanuel Josef und Ella Margold für die Keksfabrik Bahlsen

Vor dem ersten Weltkrieg zählten Schmuckdosen noch zu den Ausnahmeerscheinungen. Die Mehrzahl aller Genusswaren wurde in losen bzw. in einfachsten Behältnissen wie Papiertüten verkauft. Künstlerisch wie materiell anspruchsvolle Verpackungen kamen zunächst nur bei ausgesprochenen Luxusgütern wie Parfüm und Tabakwaren oder bei Gebrauchswaren der gehobenen Preisklasse, so Kaffee, Tee, Spirituosen und auch Süßwaren in Umlauf. Es stand außer Frage, dass diese Markenartikel eine angemessene, ja sogar ausgesprochen edle, das Produkt ästhetisch überhöhende Hülle benötigten. Weil der Keks aber häufig als Geschenk angeboten wurde, lag auch hier die Gestaltung einer appetitlichen, einladenden und schmückenden Aufmachung und weiterführend die entsprechende Darbietung der Ware in geschmackvoll gestalteten Schaufenstern und Verkaufsläden, nahe.

Hermann Bahlsen konnte mit seinem überzeugenden Werbekonzept das 1889 übernommene Fabrikgeschäft für englische Cakes und Biscuits zu einer florierenden, großen Fabrik ausbauen. Die gesunde finanzielle Basis, ein innovatives Denken und ein überaus starkes persönliches Interesse an der Kunst führten schon vor 1900 zur vollständigen Umstellung des Erscheinungsbildes des Hauses Bahlsen. Über die seit 1912 erscheinenden „Leipniz-Blätter“ propagierte Hermann Bahlsen seine Auffassung, dass die Kunst „ein Stück Schönheit in das Leben bringt und damit die Freude, die der Mensch zu seiner inneren Entwicklung braucht“. Ab 1912 verpflichtete er erstmals Emanuel Josef Margold als Entwerfer für die Gestaltung der Werbung des Hauses – ab 1915 beauftragte er auch seine Frau, die Textilkünstlerin Ella Margold-Weltmann.
Auch Emanuel Josef Margold war in seinem Schaffen der Vision einer künstlerischen Durchdringung aller Lebensbereiche gefolgt. Als Mitarbeiter von Josef Hoffmann zählte er zum Kreis der Wiener Moderne und ab 1911 zur Darmstädter Künstlerkolonie. Margold war ein ausgebildeter Architekt, aber fertigte schon früh Entwürfe in nahezu sämtlichen Bereichen der angewandten Kunst an. Seine Warenverpackungen für die Keksfabrik Hermann Bahlsen können heute als ein herausragendes künstlerisches Beispiel seiner Zeit gelten, weil er mit diesen einen frühen Beitrag zur Entwicklung eines „Corporate Design“ – hier der Marke Bahlsen – liefern konnte.

Für die nahezu exklusive Beauftragung der Margolds sprach wohl das Interesse an einer eindeutigen Wirkung, auch Fernwirkung der Warenverpackung, die für den Konsumenten auch ohne Lesen von Aufschriften allein durch firmenspezifische visuelle Merkmale leicht erkennbar sein sollte. Hinzu kam das Bedürfnis, die Packung so zu gestalten, dass wirksame Zusammenstellungen in Schaufenstern ermöglicht werden konnten. Um die besonderen Anforderungen – Vielfalt, aber trotzdem Gleichartigkeit untereinander, leichte Erkennbarkeit gegenüber anderen Erzeugnissen, Appetitlichkeit, gute Gesamtwirkung – zu erfüllen, war es notwendig, die Gestaltung der gesamten Warenreklame in die Hände eines einzigen Künstlers bzw Künstlerpaares zu legen.

Stilistische Übereinstimmungen mit Flächenmustern von Berthold Löffler oder Carl Otto Czeschka zeigen, das die künstlerische Rückversicherung der Margolds nach Wien, zur Wiener Schule um Josef Hoffmann, nie abgebrochen war. Margold verstand sich wie kaum ein anderer Künstler darauf, die Flächen der meist kubisch geschlossenen Dosen mit immer neuen Varianten dieses reichen Dekorstils zu füllen. Als charakteristisches Merkmal im Aufbau des Dekors kann dabei die Kombination strenger geometrischer Muster wie parallele Streifen, Zahnschnitt oder Rauten mit phantasievollen, stilisiert floralen Motiven genannt werden. Auch das Gegeneinandersetzten von ruhigen, nahezu monochromen Farbflächen und lebhaft bunten Ornamentfeldern gehört zu den typischen Erscheinungsbildern der Dosen. Darüber hinaus finden sich bei ihm schon 1914 Beispiele für eine aus floralen wie auch aus geometrischen Mustern entwickelte Zackenornamentik, die bereits Stilmerkmale des Art Déco vorwegnimmt.

Interessant ist, dass der überbordende Flächendekor der Margoldschen Dosen durch keinerlei Firmenaufdrucke oder Produktbezeichnungen in ihrer Wirkung beeinträchtigt wurde. Das Haus Bahlsen beschränkte sich darauf, den Firmennamen auf dem Boden jeder Dose einzuprägen. Diese Zurückhaltung erhöhte natürlich ihren „Wert“, sie war nicht mehr in erster Linie Warenverpackung, der Käufer erwarb mit der Schmuckdose vielmehr ein kleines Kunstobjekt im aktuellen Zeitstil.

Mit ihren Entwürfen begann sich insgesamt in dem Bereich der Warenverpackung ein neuer Stil abzuzeichnen. Noch bis in die 30er Jahre bemächtigte sich die gesamte „Jugendstilindustrie“ und noch nachrückende Künstler, die später für Bahlsen tätig wurden, des von den Margolds dargebotenen kreativen Vokabulars, zur Verzierung aller Arten massenhaft produzierter Gebrauchsgüter. Das vermögen heute die vielerorts angebotenen Dosen, die allzu leichtfertig den Margolds zugeschrieben werden belegen.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel

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„Made in Germany“ – der Beginn eines Gütesiegels

Die Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft brachte seit 1913 im Deutschen Reich erstmals die systematische und organisierte Verbreitung von Qualitätswaren „Made Germany“ in Gang. Dabei handelte es sich um eine Einkaufsgenossenschaft, die der ein Jahr zuvor vom Dürerbund gegründeten „Gemeinnützigen Vertriebsstelle für Deutsche Qualitätsarbeit, GmbH“ in Dresden-Hellerau, nun unter Mitwirkung des Deutschen Werkbundes angeschlossen wurde. Über diese Vertriebsstelle spannte sich ein dichtes Netz von Persönlichkeiten, die auf Staat und Gesellschaft einwirkenden Instituten, Vereinen, Verbänden, sowie Zeitungen angehörten. Zu den bekanntesten Förderern und Beratern dieser Großinitiative zählten unter anderem Hermann Muthesius, Karl Schmidt von den „Deutschen Werkstätten“ vormals „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“, Friedrich Naumann, Karl Ernst Osthaus, Peter Behrens, Richard Riemerschmid und Ferdinand Avenarius. Die Liste derjenigen, die sich an der Förderung der Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft beteiligten liest sich wie das „Who’s Who“ aller deutschen, am Um- und Aufbruch von Kunst und Gewerbe beteiligten Reformer zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Um 1910 war Dresden, im Besonderen Dresden-Hellerau, als erste deutsche Gartenstadt, der Treffpunkt der künstlerischen Avantgarde. Werkbund und Dürerbund richteten dort ihre Geschäftsstellen ein und die Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft mobilisierte von Hellerau aus hunderte Einzelhändler, Produzenten und Künstler sich an einen Wertschöpfungsprozess zu beteiligen, der auf qualitativ hochwertige, klar gestaltete, zeitlose, dabei für breite Bevölkerungsschichten erschwingliche Gebrauchsgegenstände, vornehmlich solche für Haus und Wohnung zielte.

Die seit 1915 von der Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft im „Deutschen Warenbuch“ zusammengestellten Waren, konnten sowohl über die Verstriebsstelle in Dresden-Hellerau, als auch über die Mitglieder des deutschen Einzelhandels bestellt werden. Für die dort abgebildeten Waren – über 1600 – verbürgte sich ein Sachverständigenrat, der sich aus Architekten und Designern, so genannten „Entwerfern für Kunstgewerbe“ zusammensetzte. Sie maßen die Qualität aller ausgesuchten Waren an ihrer Gestaltung, dem verwendeten Materials und an der Verarbeitung und lobten diese durch eine eigens kreierte Marke aus, die sich heute auch noch an Keramiken wieder finden lässt (vgl. Krug, Steinzeug, 1913, Carl Mehlem für R. Merkelbach, Grenzhausen, Westerwald).

Der Auftrag für die grafische Gestaltung desselben erging an den Werbe- und Gebrauchsgrafiker Fritz Hellmuth Ehmcke. Er gestaltete ein großes Genossenschafts-G, das kreisförmig die Initialen der Bünde „DBWB“ umfängt. Für die Firmenbezeichnung: „Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft, Wertarbeit fürs deutsche Haus“ wählte Ehmcke seine 1914 entwickelte „Schwabacher“, die der Familie der Frakturschriften zuzuordnen war.

Die hier vorgenommene Markierung von Waren mit besonders hoher Produktqualität liefert den Beginn einer Entwicklung, aus der die Kennzeichnung „Made in Germany“ als Gütesiegel hervorgeht. Diese Kennzeichnung verdankt ursprünglich ihre Entstehung einem britischen Gesetz, dem „Merchandise Marks Act“ von 1887. Zweck dieses Gesetzes war, britische Verbraucher vor Täuschungen über den Ursprung importierter Waren, vor vermeintlich minderwertigen Produkten, zum Beispiel Nachahmungsprodukten, so genannten „Surrogaten“ zu schützen. Die Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft wirkte diesem schlechten Ruf deutscher Waren erstmals systematisch entgegen. Sie bestand bis 1927 und wurde durch die Herausgeber der bald folgenden „Deutschen Warenkunden“ (1939-1942 and 1955-1961) abgelöst.

Werkbund und Dürerbund schafften mit der Gründung der Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft und der Verbreitung des „Deutschen Warenbuches“ ein hochgradig wirksames Identifikationspotential für die deutsche Volksgemeinschaft. Ihr Plädoyer für eine Warenästhetik, die sich mit moralischem und ethischem Anspruch verband wurde eine große Erfolgsgeschichte mit der sich sogar die Führungsrolle auf dem Weltmarkt erobern ließ.

Die Kennzeichnungspflicht für deutsche Waren bestand auch nach dem Krieg weiter. Da die Qualität der deutschen Waren der Qualität einheimischer Produkte im Ausland häufig überlegen war, wirkte „Made in Germany“ dann zunehmend positiv. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde „Made in Germany“ zu einen Synonym für das deutsche Wirtschaftswunder.
Aus diesem Grund ist „Made in Germany“ heute als geografische Ursprungs- und Qualitätsbezeichnung für die in Deutschland hergestellten Waren national und international geschützt.

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Das „Ordonnanzrad 05“ – ein Paradebeispiel Schweizer Gründlichkeit

Ordonnanzrad 05 Schweizer Armeerad

Insgesamt wurden die Räder von 4, vielleicht auch 5 verschiedenen Fabriken in der Schweiz hergestellt: CONDOR, COSMOS, SCHWALBE, ZESAR, und möglicherweise M F G. An die Hersteller wurden so genannte Nummernkontingente vergeben, an die sie sich strikt zu halten hatten. Die Nummerierung begann im Jahr 1905 mit der Nummer 1 und endete im Jahre 1988 ungefähr mit der Nummer 68614. Die exakt letzte Nummer konnte bis jetzt noch nicht ermittelt werden. Alle Räder des Typs Ordonnanzfahrrad – MODELL 05 tragen an der Sattelrohrmuffe oben rechts das Baujahr mit Kreuz und oben links die Rahmennummer.

Der unverwüstliche Typ 05, das Schweizer Militärrad aus hochwertigem Stahl, besitzt keine Schaltung keine Federung, weist ein Leergewicht von guten 22 Kilo auf und kann den Vergleich mit dem Karbonrad der Rennfahrer aufnehmen. Wohl kann das Velo im Gelände nicht mithalten, in der Stadt aber sehr wohl. Es läuft in der Ebene, erst einmal in Schwung gebracht, beeindruckend leicht, leise und stoisch geradeaus, so dass man eine Gangschaltung nicht vermisst.

Drei Bremsen sorgen für die Verzögerung der Abfahrten: ein Gummiklotz, der von einem Gestänge wie ein Stempel auf den Vorderreifen gedrückt wird, und in der Hinterradnabe sowohl ein Rücktritt wie eine zusätzliche Trommelbremse, die nach 1944 serienmäßig ergänzt wurde. Sämtliche Anbauteile sind verschraubt. Das Fahrwerk hat keine angeschweißten Halter. Für einen technisch versierten Menschen kann das MODELL 05 leicht zerlegt und gewartet werden. Dazu gehörte auch das Auseinandernehmen der Torpedo-Hinterradnabe. Das Rad gilt insgesamt als reparaturfreundlich.

Mittels einer im Sattelrohr verschiebbaren L – förmigen Sattelstütze kann die Sattelhöhe- und Stellung individuell angepasst werden. Der Sattel selbst war dreifach gefedert. Im vorderen Teil des Sattels kamen eine einzelne Drehfeder und hinten 2 Spiralfedern zum Einsatz. Die Satteldecke bestand aus 5 mm dickem Kuhkernleder.

Das Tretlagergehäuse ist sehr kräftig dimensioniert und nimmt die kugelgelagerte Tretlagerwelle auf. Die Kugellager sind hochwertige Konuskugellager mit Lagerringen aus gehärtetem Einsatzstahl. Eventuell eintretender Staub und Dreck wurde durch so genannte Staubdeckel ferngehalten. Selbstredend waren auch die Pedale höchst sorgfältig und robust gebaut. Das fällt schon durch die Größe der Pedalgummis ins Auge. Mit einer Länge von 110 mm und einem quadratischen Querschnitt von 35 X 30 mm waren sie auf robusten unempfindlichen Einsatz vorbereitet. Am vorderen linken Gabelbein wurde der Dynamo angeschraubt. In diese Halterung war die Lampe nebst Befestigung gleich mit integriert. Auch die Verlegung der elektrischen Kabel ist absolut vorbildlich gelöst. Das Kabel zum hinteren Rücklicht wird sauber geführt und ist im inneren Schutzblech fest genietet. Es gibt auch keine Bewegungsfreiheit und somit kann das Kabel auch nicht arbeiten und scheuern. Die Vorderradgabel ist äußerst robust und entsprechend massiv ausgeführt. Jedenfalls übersteht das Velo 05 jeden Sturz unter Garantie.

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Sprechstunde: Begutachtung und Bewertung im Museum

Sprechstunde: Begutachtung und Bewertung im Museum der Dinge

Das Museum der Dinge – Werkbundarchiv, Oranienstraße 25 in 10999 Berlin bietet an jedem zweiten Freitag im Monat von 13:00 bis 14:00 Uhr Schätzstunden an. So kann jedermann sein Mobiliar, seine Keramiken und Gläser, sein Silber, seine Schmuckstücke oder Kunststoffobjekte und Kuriositäten aller Art, ob Kunstgewerbe oder Design vorlegen. Ob es sich bei den Dachbodenfunden, Erbstücken und Flohmarktsschnäppchen um wirkliche Schätze handelt, darüber gibt Dr. Rezepa-Zabel Aufschluss.

Voranmeldung wünschenswert, Termine unter info@design20.eu oder www.museumderdinge.de.
Sprechstunden in der Regel jeweils der 2. Freitag im Monat.

Pressestimmen:

 

 

 

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Egon Eiermann – der deutsche Eames

Egon Eiermann Stuhl 1949

Oft versucht man mit der Gleichsetzung der Personen Egon Eiermann und Charles und Ray Eames Stühle von Eiermann aufzuwerten. Sicherlich wurde Eiermann durch die revolutionären amerikanischen Modelle der Eames beeinflusst, doch sind seine Entwürfe selbständig genug, um ihre Geltung nicht aus der Stahlkraft der zeitlichen Vorläufer beziehen zu müssen. Seine Entwürfe waren in ihrer material- und raumökonomischen Gestaltung und der Einfachheit der Ausführung eine Reaktion auf die materielle Not der Zeit, in der Eiermann aber auch eine Chance zu einer neuen, aufgeklärten und menschlicheren Lebensweise sah.

In den vierziger und fünfziger Jahren hatte das Designerehepaar in den USA Möbel gestaltet, die weltweit Maßstäbe setzten. In jahrelangen Versuchen war es ihnen gelungen, Möbel in bisher ungewohnten industriellen Werkstoffen wie plastisch geformtem Sperrholz, Kunststoff und Aluminium bis zur Serienreife zu entwickeln.
Erstmals hatte Charles Eames zusammen mit Eero Saarinen für den vom New Yorker Museum of Modern Art 1940 ausgeschriebenen Wettbewerb „Organic Design in Home Furnishings“ Sitzmöbel entwickelt, deren Sitzfläche und Rückenlehne aus einer einzigen, plastisch geformten Sperrholzplatte gebildet waren. 1945 konnte die Entwicklung der serienreifen Sitzmöbel mit dreidimensional geformter Sitz- und Rückenlehnenplatte bereits abgeschlossen werden.
Weil Sperrholz die Herstellung bequemer Sitzmöbel ermöglichte und die verschleißanfälligen und zudem unhygienischen Polster ersetzten konnte, loteten weltweit Designer die ästhetischen und funktionalen Möglichkeiten des Formpressstoffes aus. Auch Deutschland konnte sich den wirtschaftlichen und konstruktiven Vorteilen, wie maschinelle und daher kostengünstige Produktion, preisgünstiges Ausgangsmaterial, Dauerhaftigkeit, Leichtigkeit, Flexibilität nicht entziehen. Nach dem Krieg führte der enorme Bedarf an Möbeln dazu, dass die Entwicklung neuer Sitzmodelle sogar auf Kosten des Staates betrieben wurde.

Auslöser für Egon Eiermann, sich erstmals mit dem Entwurf von Serienmöbeln zu beschäftigen, war die Ausstellung „ Wie Wohnen?“, die 1949/50 in Stuttgart und in Karlsruhe gezeigt wurde. Unter den Möbelgestaltern verstand er es am besten, Verständnis für Materialien und Techniken, konsequenten Formwillen, Kreativität, Offenheit für Neues und Durchsetzungsfähigkeit zu kombinieren. Eiermanns Interesse galt vorerst der Gestaltung eines dreibeinigen Sitzmöbels SE 42, das ausschließlich aus geformten, montierbaren Sperrholzteilen entwickelt werden sollte. Es war jener Stuhl, den man in seiner Frühzeit mit dem DCW (Dining Chair Wood) der Eames verwechselte. Tatsächlich zeigt die Konstruktion weitgehende Übereinstimmung: organisch gestaltete Sitz- und Lehnenplatten aus formgepressten Sperrholz, aufgelegt mit möglichst wenigen Befestigungspunkten auf ein Gestell aus gebogenen, montierten Sperrholzstreifen. Während das Ehepaar Eames das formale Hauptgewicht seines Modells auf Sitz und Lehne legte und diese Teile deutlich von dünnstreifigen Gestell absetzte, setzte Eiermann jedoch alle Teile seines Stuhls zu einer dichter gefügten, proportional kompakteren und homogeneren Einheit zusammen. Für ihn scheint bei der Gestaltung des Modells die Ablesbarkeit der Montagefähigkeit eher im Vordergrund gestanden zu haben, als für das Ehepaar Eames. Beide Modelle haben skulpturale Qualitäten. Das amerikanische Modell vermittelt den Eindruck einer freien Plastik. Eiermanns Stuhl erinnert stärker an die Form eines Lebewesens. In den Umrisslinien ist es dynamischer, die Kommunikation der Ein- und Ausschwünge von Sitz und Lehne ist lebhaft und bleibt dennoch harmonisch. Unterschiede zeigen sich vor allem im technischen Detail. Die Verbindungen etwa sind verschieden. Wagemutig zeigte sich Eiermann in der Belastbarkeit des Materials: der kleine Biegungsradius des vorderen Teils der dünnen, nur neun Millimeter starken Sitzplatte wurde zur Zerreissprobe für das Sperrholz.

Eiermann war mit dem Ergebnis, das in seiner plastischen Durchformung der Sitz- und Lehnplatten in Deutschland bisher ohne Beispiel war und blieb, so sehr zufrieden, dass er dieselbe Garnitur für seinen Arbeitsstuhl „SE1“ („SE40“) und wenig später auch für seine Stahlrohrstühle verwendete. Das hatte nicht nur herstellungsökonomische Gründe. In der Fachwelt galt die wohlproportionierte Form als vorbildlich. Sein „SE 40“ mit der eleganten; transparenten Lehnenfeder bildete in den fünfziger und sechziger Jahren in Deutschland dann die fruchtbare Basis für nahezu alle anderen Arbeitsstuhlmodelle. Deutliche Parallelen wies auch der 1952 entworfene vierbeinige Stahlrohrstuhl SE 68 auf. Mit der Kombination von Stahlrohr und geformter Sperrholzlehne bzw. -sitz folgte Eiermann auch hier dem Vorbild Charles und Ray Eames und deren ‚Dining Chair Metal‘.

Seine ausgestellten Möbel aus Vollholz, Sperrholz, Korb und Stahlrohr vermittelten in der Heterogenität ihrer Formen, Materialien und Farben ein heiteres Bild. Die Ausführung hatte die in Oberesslingen und in Wernau/ Neckar ansässige Fabrik „Wilde + Spieth“ übernommen. Als traditionsreicher, 1831 gegründeter Hersteller von Rollläden und Möbeln besaß man dort gute Erfahrungen in der kombinierten Verwendung von Holz und Metall. Dort war man gewillt den kompromisslosen Anspruch an die Form und eine hohe Materialqualität zu erfüllen zu entwickeln.

Ab 1950 erfolgte der Verkauf des Arbeitsstuhles „SE1“ („SE40“). Er war somit das erste der von Eiermann und „Wilde+Spieth“ gemeinsam entwickelte Serienmöbel, das auf den Markt kam. Da sein Material und besonders seine „organische“ Form in jener Zeit noch unbekannt in Deutschland waren, interessierte sich für ihn anfangs nur eine kleine, aufgeschlossene Käuferschaft. So konnten im Jahr 1951 gerade einmal 153 Stück abgesetzt werden. Zu den ersten Abnehmern gehörten häufig Architekten. Seinerzeit war der „SE1“ („SE40“) der fortschrittlichste Arbeitstuhl in Deutschland und Eiermann war mit dem Ergebnis, das in seiner plastischen Durchformung in Deutschland bisher ohne Beispiel war und blieb, so sehr zufrieden, dass er dieselbe Garnitur später auch für seine Stahlrohstühle wählte. Der Arbeitsstuhl verband arbeitsgerechte Funktionalität, körpergerechte Formgebung, hohe Materialökonomie und elegantes Aussehen so überzeugend miteinander, dass es noch bis in die 70er Jahre hinein Vorbild für eine große Anzahl von Modellen anderer renommierter Hersteller blieb. Er bildete die fruchtbare Basis für nahezu alle anderen deutschen Hersteller der fünfziger und sechziger Jahre, die bis dahin an Modelle der 30er Jahre anknüpften, indem sie ihre Stühle mit hölzernen Flügelbeinen, massivhölzerner Sitz-/ Lehnengarnitur, leicht federnder Lehnenhalterung aus Bandstahl und einer Höhenverstellung mit zumeist einfacher Schraubmechanik ausstatteten.

Wilde + Spieth genossen bis zu Eiermann Tod im Jahre 1970 dessen Vertrauen. Sie durften als einzige seine Entwürfe – mit Ausnahme der Korbmöbel – ausführen. Und am Ende waren es etwa 35 Modelle.

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Glaskunst im Bröhanmuseum – ein neuer Bestandskatalog

Das Bröhan Museum hat wieder ein neues umfangreiches Referenzwerk  auf den Weg gebracht.

Der VII. Bestandkatalog in 37 Jahren Museumsarbeit widmet sich erstmals ausschließlich dem Sammlungsbereich modernes Glas und bringt bewährtes Wissen auf den aktuellen Stand. Das neue Opus erfasst die komplette, knapp 700 Objekte zählende Glassammlung des Bröhan-Museums.

Die „begleitende“ Ausstellung  FRAGILE wird am 17. Juni 2010 eröffnet und „bis auf Weiteres“ zu sehen sein. Präsentiert werden internationale Glaskünstler und -hersteller aus der Zeit 1889-1939, vom Jugendstil bis zum Art Déco und Funktionalismus. Gezeigt wird eine Auswahl von etwa 280 Gläsern – viele davon werden zum ersten Mal.

Die Bestandskataloge des Bröhan Museums gelten Kunstwissenschaftlern als eine zuverlässige historische Quelle und Händler nutzten sie als beste Referenz um den Wert ihrer Objekte herauszustellen. Die ersten Kataloge mit den Nummer I-IV sind längst vergriffen, auf Auktionen zählen diese bereits zu den begehrten Losen.

Siehe dazu auch in der Ausgabe des Sammler Journals, November 2010 den ausführlichen Artikel von Dr. H. Rezepa-Zabel: Fragile – die Glassammlung des Bröhan-Museums Berlin, in: Sammler Journal, 11/2010, S.61-69.

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Bayers Notgeld – Design in der Krise

Die galoppierende Inflation in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg war eine der radikalsten Geldentwertungen, die eine große Industrienation je erlebt hat. Bereits am 4. August 1914 hob die Regierung mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges die gesetzliche Noteneinlösungspflicht der Reichsbank in Metallgeld bzw. Gold auf. Das hatte zur Folge, dass bereits 1918 die Mark durch die Finanzierung des Krieges schon mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren hatte, wobei auf dem Schwarzmarkt der Inflationsindex noch wesentlich höher lag.

Das Geld, das man dann in den Anfangsjahren der Weimarer Republik druckte, um die Staatsschulden zu beseitigen, machte die Hyperinflation unausweichlich. Immer schneller verzehnfachte sich die Abwertung gegenüber dem US-Dollar, bis schließlich im November 1923 der Kurs für 1 US-Dollar 4,2 Billionen Mark entsprach. Die maximale monatliche Inflationsrate betrug 32.4 %. Damit vervierfachten sich die Preise pro Woche. Im November ließ die Reichsbank als höchsten Wert einen Geldschein über 100 Billionen Mark (100.000.000.000.000 M) drucken. Zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs wurden riesige Mengen an Scheinen benötigt. Bis zu 133 Fremdfirmen mit 1.783 Druckmaschinen arbeiteten im Herbst 1923 für die Reichsdruckerei Tag und Nacht. Das dafür erforderliche Banknotenpapier wurde von 30 Papierfabriken produziert. Für den Druck stellten 29 galvanoplastische Werkstätten rund 400.000 Druckplatten her. Etwa 30.000 Menschen waren mit der Herstellung der insgesamt ca. 10 Milliarden staatlich ausgegebenen Inflationsscheine (10.000.000.000 Stück) beschäftigt. Der Begriff „Papiermark“ wurde nachträglich eingeführt, um das Inflationsgeld von der vollwertigen Vorkriegs-Goldmark von vor August 1914 zu unterscheiden. Trotzdem reichten die verfügbaren Zahlungsmittel nicht aus. Die Druckmaschinen konnten den schwindelerregenden Wertverlust während der Hyperinflation einfach nicht mehr durch vermehrten Notendruck ausgleichen. Deshalb wurden von mehr als 5.800 Städten, Gemeinden und Firmen eigene Notgeldscheine herausgegeben. Die Bevölkerung nahm alles als Zahlungsmittel an, was wie Geld aussah oder irgendwie „wertbeständig“ wirkte. Insgesamt sind über 700 Trillionen Mark (700.000.000.000.000.000.000 M) als Notgeld und rund 524 Trillionen Mark (524.000.000.000.000.000.000 M) von der Reichsbank verausgabt worden.

Die kommunalen Notgeldausgaben brachten aber neben einigen Vorteilen auch große Nachteile für die Bevölkerung mit sich. Das Notgeld galt nur in den jeweiligen Ausgabeorten, selten weiter als im Landkreis. Darunter litt natürlich der Handel. Reisende mussten sich immer erst vor Ort das jeweils gültige Geld besorgen. In diese Zeit des aufgeblähten Geldumlaufs fallen die Ausgaben des „Notgeldes des Landes Thüringen“. Der Antrag überregionales Geld für die Gemeinschaft der thüringischen Staaten herzustellen wurde am 21. September 1922 in einer ersten Notgeldbesprechung mit dem Staatminister des Reichsfinanzministeriums gestellt, stattgegeben wurde dieser am 8. August 1923, die erste Ausgabe der Scheine erfolgte am 10. August 1923.

Es war kein Geheimnis und sprach sich schnell herum, dass ein einheitliches Notgeld hergestellt werden sollte. Verschiedene Druckereien und andere Firmen boten umgehend ihre Dienste an. Die künstlerische Gestaltung des überregionalen Notgeldes wurde aber dem Maler und Typographen und derzeitigem Jungmeister des Bauhauses Herbert Bayer übertragen. Praktisch über Nacht stellt der 23igjährige, in der liberalen Festung Weimar ein überzeugendes, funktionstüchtiges, die jüngsten programmatischen Ideen des Bauhauses umsetzendes Konzept auf die Beine. Schon zwei Tage später am 10.8. 1923 wurde die erste Serie A Nr.00001 bis Nr.48000 druckfrisch ausgegeben. Die Nennwerte erschienen in Serien von A-Z, erweitert durch AA,BB,CC,DD mit wechselnden Druckfarben. Den Nennwerten und Serien lassen sich bekannte Ausgabedaten zuordnen.

Bis zum 10. Dezember 1923 wurde die Staatsbank in Thüringen ermächtigt Notgeld auszugeben. Zum Schluss bis zu einem Gesamtbetrag von 3 Trillionen Mark. Der höchste Nennwert betrug 2 Billionen. Die gestalterische Grundkonzeption der Scheine über eine Million Mark blieb bis zu den Scheinen von 100 Millionen und 500 Millionen Mark Nennwert erhalten. Bei den Scheinen von 100 Millionen und 500 Millionen Mark wurden allerdings statt der bisher verwendeten serifenlosen Linearantiquaschriften Frakturschriften verwendet.

Die sachliche, unkomplizierte und zweckmäßige, fast uniforme Gestaltung der Noten brachte natürlich Vorteile bei der schnellen Herstellung dieses Notgeldes mit sich. Der thüringische Finanzminister versicherte, dass das Notgeld des Landes Thüringen nur in Weimar bei der Staatsbank und bei der Weimarer Firma Dietsch & Brückner hergestellt wurde. In den ersten Serien wurden auch verschiedene Geheimzeichen aufgenommen, so z.B. Serien mit großen und Serien mit kleinen fortlaufenden Nummern, mit und ohne Stern. Eine weitere Besonderheit der ersten Serien ist beim Wort Million, das auf einer schraffierten Linie steht. Hier ist das „o“ in der unteren Rundung in der Mitte gebrochen. Bei dem auf der rechten Seite querstehenden Schriftsatz in schwarzer Farbe ist in der 4. Zeile nach dem Wort „Notgeldscheines“ ein Bindestrich. Dieser ist ebenfalls gebrochen. In der 5. Zeile „gegen Umtausch in Reichsbanknoten“ ist bei dem „i“ von „in“ der Punkt weggelassen worden.

Der Druck erfolgte durchweg auf Wasserzeichenpapier, wobei das Wasserzeichen einige Male gewechselt wurde. Das Papier ist weiß, holzfrei und hat ein Papiergewicht von 70g/m² bei den Scheinen bis 50 Millionen Mark. Bei den Scheinen von 100 bis 500 Millionen Mark ist das Papiergewicht etwa 90g/m² und bei den Scheinen ab 1 Milliarde Mark 100g/m².

Herbert Bayer nahm 1921 sein Studium am Bauhaus bei Wassily Kandinsky in der Klasse für Wandmalerei auf, das er zwei Jahre später mit der Gesellenprüfung abschloss. Im gleichen Jahr machte Walter Gropius ihn zum Jungmeister der neuen Werkstatt für Druck und Reklame. Die zwischen Juli und September 1923 stattfindende Bauhausausstellung hatte entscheidend zur Klärung des Selbstverständnisses und zur Präzisierung der Zielvorstellungen des Bauhauses beigetragen und die Notgeldscheine sind ein erstes, bisher kaum beachtetes Zeugnis des berühmten Umschwunges, als Walter Gropius das Bauhaus mit dem Schlagwort „Kunst und Technik“ eine neue Einheit von der handwerklichen auf eine technische Gestaltungsgrundlage hin orientierte.

Deutlich erkennt man an Bayers Entwurf den Einfluss der holländischen De-Stijl Bewegung, die zwischen 1921 und 1923 maßgeblich durch den Künstler, Provokateur und Theoretiker Theo van Doesburg in Weimar verbreitet wurde. Bayer nahm das Spiel mit den De-Stijl typischen, starken Farben und Elementarformen, mit Symmetrie und Asymmetrie gekonnt und spielerisch auf. Er ordnet klar umrissene rechteckige Flächen zueinander, horizontal und vertikal, trotz einheitlicher Farbgebung.

Es gelingt ihm nicht nur ein über Werte und Serien hinaus standardisierbarer Entwurf, sondern ein ebenso herausragender, wie moderner. Das wird umso deutlicher, führt man sich vor Augen, dass für die Papiermark gedämpfte Farben und eine Bildsprache gebräuchlich waren, die bevorzugt Wappen, Volkshelden oder historischen Themen aufnahm, gerahmt, verschnörkelt in einer altdeutschen Schrift sprachen sie die gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse an – Formeln zur Stärkung der Volksgemeinschaft – Samen der Blut und Boden-Ideologie.

Interessant, vor allem auffällig, scheint die Wahl der kräftigen Farben, die in einem nahezu regelmäßigen, zeitlich engen Turnus – nach ein bis drei Tagen – ausgegeben wurden. Obgleich der Einsatz der Druckfarben mit Sicherheit abhängig von dessen Verfügbarkeit war, wechseln diese doch konsequent in der kurzen Abfolge. Mit den Notgeldscheinen wurde in einzigartiger Weise ein Farbreigen in Umlauf gebracht – eine eigene Farbtafel für Jedermann. Bayer gelang die wechselnde Abfolge der Primärfarben Gelb, Rot, Blau mit Sekundärfarben (Mischungen zweier Primärfarben) Orange, Grün, Violett und Tertiärfarben (Mischungen zweier Sekundärfarben) Citrin, Russet und Olive, Farben, mit denen Kandinsky seine Farblehre begann.

Zunächst hielt es Kandinsky für zweckmäßig die Farben zu isolieren und dann im Kontext mit anderen zu betrachten. Neben der Untersuchung des jeweiligen „inneren Klanges“ der einzelnen Farben trat in Kandinskys Unterricht ein eingehendes Studium der Beziehungen der Farben zueinander. Über seine Einstellung am Bauhaus zum Problem der Harmonie der Farben lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Festzuhalten ist aber, dass er systematisch untersuchen ließ, wie sich die Farbgebungen je nach Flächengröße und Farbgebung verändern. Bayer scheint sein Publikum, ebenso wie Kandinsky einladen zu wollen, über die Wirkung einzelner Farben und das Zusammenspiel verschiedener Kombinationen nachzudenken.

Die zügig und in großen Mengen in Umlauf gebrachten Scheine präsentierten nicht nur die Schule wirkungsvoll nach außen, sondern warben für pädagogischen Methoden und unkonventionelle Ideen. Vor allem plädierten sie für Neuerung statt Rückzug, für künstlerisches Ethos statt leerem Pathos. Die Notgeldscheine lassen das große Potential von Herbert Bayer ahnen, der seinem Erfolg als einer der profiliertesten und international bekanntesten Typographen des 20. Jahrhunderts voranging.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel

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Bakelit 100, Kunststoff aus Erkner erobert die Welt.

Bakelit Segellampe

Mit elf Schautafeln und acht Vitrinen (mit ca. 80 Exponaten) zeigt die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin nicht nur die Geschichte des Bakelits, sondern auch moderne Kunststoffanwendungen. Daneben wird mit ausgewählten Fotos der Wandel Erkners als ehemaliger Chemiestandort zwischen 1989 bis 2009 dokumentiert.

Ab dem 3.12.09 bis 7.1.2010 ist die Ausstellung in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) zu sehen, Unter den Eichen 87, Haus 5, 12205 Berlin. Weitere Informationen unter: www.chemieforum-erkner.de.

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Künstliche Schönheiten

In den fünfziger Jahren verdrängte der Begriff „Plastik“ das bis dahin gebräuchliche Wort „Bakelit“, das Leo Hendrik Baekeland seit 1909 vermarktete. Sein „Bakelit“ eignete sich für „tausend Zwecke“ und damit floss der Begriff ebenso in den allgemeinen Sprachgebrauch ein, wie zuvor Dynamit, Colt und Sandwich. In den dreißiger und vierziger Jahren war „Bakelit“ zu einem Sammelbegriff für Phenoplaste und Aminoplaste geworden und das hatte durchaus seine Berechtigung, denn mit Baekelands Patenten waren bereits viele der nach und nach angewandten Möglichkeiten zur Herstellung von Pressstoffen gegeben. Die in den zwanziger und dreißiger Jahren entwickelten und geprüften, farbigen Kunststoffe kannte man auch unter anderen Namen.

Einen weiteren Schritt nach der Einführung des Phenolharzes durch Baekeland begründete die British Cyanides Company, die 1924 /25 auf der großen Ausstellung des Britischen Weltreiches in Wembley einen Formpressstoff bekannt machte, der als „die neue weiße Hoffung“ begrüßt wurde und erstmals ein Farbspektrum in Aussicht stellte, das bisher unerreicht war. Da die dort gezeigten Fläschchen mit dem Firmenzeichen – einem Käfer – versehen waren, nannte man die Masse fortan „Beetle“ oder „Beatl“. „Urea formaldehyde“ nannten die britischen Chemiker den Kunststoff, übersetzt Harnstoff-Formaldehyd.

War der Pressstoff, den die Rütgers-Werke in Berlin Erkner zur Produktionsreife geführt hatten, auch der Industrie liebstes Wunderkind, so führte es doch den Nachteil mit sich, dass es nur in einer begrenzten dunklen Farbpalette, die zwischen Rot, Braun und Schwarz variierte, zu haben war. Sofern es sich um mehr als technische Teile handelte, versuchten Kunststoffhersteller so weit wie möglich dem Serienprodukt eine individuelle farbliche Note mitzugeben. Im besten Fall gelangen aber nur exotische Farbschattierungen, die als Holzmaserungen oder Marmormusterungen galten, oder eine Art Eisblumendekor, der durch Beimischungen von Blattgold und -silber erzielt werden konnte. Man bestäubte das Pressharz auch mit Kupferpuder, Ruß und Gesteinsmehl. Wollte man darüber hinaus das Formstück durch helle Teile, wie Griffe, Handhabungen und Knäufe beleben, hatte man sich mit Proteinoplasten, im Besonderen Galalith zu behelfen. Diese als Kunsthorn bezeichnete Masse brachte seit 1885 erstmals kräftige und leuchtende Farben hervor. Nur waren seine Gebrauchseigenschaften gegenüber einem „Bakelit“ minderwertig. Das Material war feuchtigkeitsempfindlich und veränderte rasch seine Gestalt.

Da phenolhaltige Pressmassen nur in dunklen Einfärbungen relativ lichtecht sind, suchte man nach anderen Wegen und Basisrohstoffen.

1920 entwickelte die Firma Raschig in Ludwigshafen ein Phenolgießharz, das als Edelkunstharz unter den Handelsnamen Dekorit, Leukorit, Resinol, Vigopas und Vigorit noch in den 30iger Jahren vertrieben wurde. Es handelte sich um hochwertige Formaldehyd Kondensationsharze aus Phenol und seinen Homologen (engl. cast phenolic resin).

In einem aufwendigen und deshalb sehr kostspieligen Verfahren wurden der Rohstoff ohne Füllstoffe in handgemachte Gehäuse aus Blei, Glas oder Messing gegossen, die jeweils nur einmal verwendet werden konnten. Die honiggelbe bis durchsichtige Masse musste dann drei Tage lang in Öfen bei Temperaturen von 60 bis 100 °C ohne Druckanwendung getrocknet werden. Das Ergebnis war ein sehr schöner, relativ widerstandsfähiger, höchst brillanter Werkstoff, der in allen Farben eingefärbt werden konnte, anschließend poliert wurde, bis die Oberfläche schillerte und jenen charakteristischen Glanz abgab, der heute die betuchten Sammler fasziniert. Im Fokus standen dementsprechend Luxusartikel in gediegenen Formen, wie Zigarettenetuis, Feuerzeugen, Büroutensilien, Schatullen aber auch Schmuckstücke, vor allem als Bernstein-Imitat. Die Lokalfarben erwiesen sich als auf Dauer nicht lichtbeständig. Selbst recht dunkle Farben wie Rot, Grün oder Blau konnten ihren ursprünglichen Ton nicht halten. Pastelltöne oder ein reines Weiß ließen sich nicht erzielen. Zudem war Phenolharz grundsätzlich spröde, so dass der Werkstoff auch nur für dekorative Zwecke verwendet werden konnte. Noch bedenklicher schien der recht kräftige Phenolgeruch, der eine Verwendung im Zusammenhang mit Lebensmitteln von vornherein ausschloss.

Weltweit hatten Chemiker an Möglichkeiten gearbeitet, Pressmassen in einer größeren, hellen und leuchtenden Farbauswahl, als vollwertigen Ersatz für das ursprüngliche Bakelit, herzustellen.

Der Tschechoslowake Hans John soll schon früher fündig geworden sein, als der Wiener Chemiker Fritz Pollack und der Brite Edmund Rossiter, die beide 1924 erfolgreich waren.

In Deutschland konkurrierten vor allem die Dynamit Nobel AG in Troisdorf und die Heinrich Römmler AG in Spremberg in der Niederlausitz um die Herstellung des neuartigen Pressstoffes unter den Namen „Pollopas“ und „Resopal“, das zunächst „Alboresin“ hieß. Diese neuartigen Materialien besaßen für die damalige Zeit so wunderbare Eigenschaften wie Farbtiefe, Widerstandsfähigkeit gegen Chemikalien und Temperatur, Lebensmittelechtheit und große Härte, dass sie zunächst für Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs verpresst wurden.

Um ein möglichst reines Weiß zu erhalten, das hygienischen, wie gehobenen Ansprüchen entgegenkam, wurden Harnstoffharze mit gebleichter Cellulose vermischt und ab 1931 unter dem Namen „Plaskon“ angeboten.

Schon 1926 präsentierte der exklusive Londoner Kaufpalast „Harrods“ Geschirre aus dem neuen Kunststoff in seiner Abteilung für Drechslerwaren. Der Andrang war so phänomenal, dass die englischen Hersteller in der Londoner Regent Street bald ein eigenes Ladengeschäft eröffneten, in dem ausschließlich „Beetleware“ verkauft wurde. Andere Hersteller boten die chicen Tischuntensilien unter den Namen „Lingalonga“ („Halt’ dich länger“) und „Bandalasta“ (nach Brookes and Adams – B(rookes)ANDA(dams) und LAST A long time) an. Der britische Hersteller Brooks & Adams vertrieb seine Teller, Tassen, Schalen, Behältnisse aller Art und Kerzenleuchter mit und ohne Marmorierung über ebenso farbenfrohe Verkaufkataloge. Ab 1932 nahm er noch Picknickkoffer in sein Programm auf und diese wurden der Hit der kommenden Jahre. Die Erzeugnisse belebten nicht nur die häusliche Umgebung, sondern trugen mit ihrer Bruchsicherheit und ihrem geringen Gewicht auch den Bedürfnissen der mobil werdenden Gesellschaft Rechnung.

Nach der großen „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ in Paris im Jahr 1925 verband man die farbigen Kunststoffe ganz selbstverständlich mit einem Stil, der im Rückblick „Art Déco“ genannt wurde.

Art Déco brachte die Moderne, das neue Lebensgefühl und die außergewöhnliche künstlerische Vielfalt, in der orientalische Farben, kubistisch-abstrakte Formen und futuristisches Stromliniendesign keinen Widerspruch darstellten, auf den Punkt. Das Repertoire der Verarbeitung der „Bakelite“ schien grenzenlos. Seine Verwendbarkeit, seine Formenvielfalt, sein breites Farbspektrum, eingeschlossen seiner Möglichkeiten Naturmaterialien, wie Elfenbein, Horn, Schildpatt, Jade und Onyx zu imitieren oder es mit Edelmetallen, mit Rheinkieseln und echten Steinen zu kombinieren, wurde Konsumenten ebenso eindringlich vorgeführt, wie die überraschende Höhe der kunsthandwerklichen Verarbeitung und Formfindung. Bemerkenswert ist wie „schmuckhaft“ die neuen und alten Accessoires für die Damen gefertigt waren. Zigarettenspitzen, Abendtaschen oder kleine Behältnisse, „vanities“ und „minaudières“ für unerlässliche Kosmetika wie Puder oder Lippenstift sind weit mehr Schmuckstück als Gebrauchsgegenstand und belegen eindrücklich den unbändigen Wunsch nach Abgrenzung in diesen Jahren. Noch bevor die legendäre Coco Chanel 1928 den Modeschmuck wirklich salonfähig machte, war er 1925 in Paris, wo allein 40 Hersteller von Modeschmuck ihre Schmuckstücke präsentierten, längst Tagesgespräch. Spektakulär waren die großen französischen Juweliere, die mit ausgesprochen avantgardistischen Entwürfen herausragende Kreationen vorstellen und auch nicht vor der Verwendung der neuen Kunststoffe Halt machten. René Lalique fertigte Gießharzentwürfe für Broschen und Schmuckdosen an. Sein Mitarbeiter Eduard Fornells, stellte ebenfalls in seinem Pariser Atelier Ziergegenstände aus Harnstoff her. Um 1930 zogen auch die Cartier Juweliere mit Schmuckentwürfen nach.

Ein Wegbereiter des Kunststoffschmucks war die französische Manufaktur des Auguste Bonaz. Seine signierten Kreationen zeichneten sich durch eine wohl aufwendig gearbeitete, aber einfache geometrische Formgebung und starke Farbkontraste aus.

Nach 1925 bezogen auch deutsche Schmuckshersteller, wie Jacob Bengel in Idar-Oberstein und Henkel & Grosse in Pforzheim Kunststoffe in ihre Entwürfe ein. Über viele Jahre wurden die Schmuckstücke der Bengelproduktion für französische Arbeiten gehalten. Ihre strenge technoide Formensprache verdankten sie aber letztlich dem Bauhaus. Henkel & Grosse erlebte seinen eigentlichen Höhepunkt mit „Christian Dior Bijoux“ für dessen Herstellung die Firma in den 50iger Jahren die Exklusivlizenz erhielt. Ihr neunsträngiges Perlen-Collier für Dior fertigte das Unternehmen aus elfenbeinfarbenen Bakelitperlen, deren Materialqualität in dem vergoldeten Verschluss noch unterstrichen wurde.

Bereits in den zwanziger Jahren schwappte der Boom der farbigen Kunststoffe auch nach Amerika über. Nachdem die Monopolstellung der Bakelit-Patente hinsichtlich Herstellung und Verarbeitung von Phenoplasten ab 1927 bis 1931 ausgelaufen war, herrschte auch dort eine lebhafte Aufbruchstimmung in der Kunststoffindustrie.

„Juwelenhafte Schönheit“ wurde dem „Catalin“ zugesprochen, das die „American Catalin Corporation“ entwickelte und ab 1930 auf den Markt brachte. Das Unternehmen erzielte ein breites Spektrum satter Farben, etwa Rot, Orange, Grün, Gelb und subtile Pastelltöne, in einer Palette von durchscheinend bis schrillweiß. Sie strahlen noch heute so kräftig wie am ersten Tag. Catalin ließ sich in Formen gießen und anschließend durch Schnitzen, Fräsen, Drechseln, Sägen, Bohren weiterverarbeiten. Eine Bandbreite dieser Möglichkeiten führt die Palme, das Symbol der oft auch als „Hollywood-Stils“ bezeichneten amerikanischen Moderne vor.

Zeitgleich warteten in Europa schon andere Chemiker mit einem wesentlichen verbesserten Kunstharz auf, einem Kondensat von Melamin und Formaldehyd.

Die künstlichen Polymere drangen rapide in die Lebenswelt Amerikaner und der Europäer ein, schienen restaurative Tendenzen ganz auszuschließen und waren geradezu prädestiniert auch Vorstellungen des Funktionalismus in weite Bevölkerungsschichten zu tragen. Es war nur folgerichtig, dass in einem Bereich, wie die Küche, in dem Nützlichkeit und nicht Dekor immer die wichtigste Rolle gespielt hatte, Ideen greifen konnten, die Zeit und Aufwand zu sparen versprachen. Bei Verbrauchern mussten kaum Vorurteile gegen die neuen Kunststoffe überwunden werden. Die vielen nützlichen Alltagshilfen, groß, klein, einfach oder technisch raffiniert und ebenso die modischen Accessoires, ihr faszinierendes Erscheinungsbild machten gesellschaftliche Veränderung sichtbar und erlebbar.

Zu Beginn der dreißiger Jahre beauftragte die deutsche Kunststoffindustrie erstmals Formgestalter, die bereits mit den Ideen des Deutschen Werkbundes und Bauhauses vertraut waren, Entwürfe für kunststoffgerechte Gebrauchsartikel und Geräte anzufertigen. Im Wesentlichen ging es allen Beteiligten darum, dass die Dinge den Menschen vor allem das Leben erleichtern sollten, statt sich von eigenmächtigen Modelaunen leiten zu lassen. Obwohl sich das Bauhaus den für die Massenproduktion so leicht handhabbaren Harzen erstaunlicherweise verschloss, waren es doch der auf die Schule verweisende Anspruch und sein formales Repertoire, das den Kunststoffen zu mehr Aufmerksamkeit verhalf. Vorzügliche Geschirre entwarfen Christian Dell, der ehemalige Werkmeister der Metallwerkstatt des Bauhauses in Weimar für die Römmler AG und auch der vielseitige Kunstgewerbelehrer Friedrich Adler für die Brebit-Pressstoffwerke. Ihre funktionalen Formgebungen bestätigten sich in den kompakten, geschlossenen Pressformen, ohne Hinterschneidungen, in glatten Oberflächen, gerundeten Ecklösungen und Flächenübergängen.

Zweifelsfrei sind die „künstlichen Schönheiten“ aus Bakelit beeindruckendes Substitut und Surrogat, noch mehr sind sie heute materialgeschichtlich unwiederbringliche Dokumente und stellen eine die Moderne weit übergreifende Anthropologie des Geschmacks und Sozialgeschichte der Produktkultur zur Verfügung.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel
Zu Bakeltit bzw Kunststoffen siehe weiterführend im Sammler Journal Artikel von Dr. H. Rezepa-Zabel: Bakelit, Teil 1, in: Sammler Journal, Dezember 2009, S.50-59; Teil 2, in: Sammler Journal, Januar 2010, S.48-57. Kunststoffe 40er- bis 70er Jahre, Teil 1, in: Sammler Journal, Januar 2012, S.52-58; Teil 2, in: Sammler Journal, Februar 2012, S.52-58; Teil 3, in: Sammler Journal, März 2012, S.94-99.l

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Bakelit pflegen und bewahren

Wie Bakelite sich am besten pflegen und reinigen lassen, dazu kursieren sehr viele verschiedene Empfehlungen, v.a. allem für verschiedenste Mittelchen. Wer aber wirklich nur eine Verschmutzung entfernen will, ist gut beraten nur einen weichen Lappen und wenig Wasser zu verwenden. Am sichersten ist destilliertes oder entkalktes Wasser, um etwaiges Einreiben der Kalkreste in die Poren zu vermeiden. Reinigungsmittel enthalten immer mehr oder weniger große Schleifmittel. Sie reinigen nur durch die mechanische Bewegung, die eingebracht wird. Entsprechend „schleifen“ sie den Schmutz weg und verletzen zwangsläufig immer die Oberfläche. Wenn wirklich hartnäckige Flecken zu entfernen sind, kann man auf zuerst Methanol, dann auf Ethanol, und nur wenn es zwingend nötig ist, auf Propanol zurückgreifen.

Gelagert werden Bakelite am besten dunkel, trocken und einzeln. Eine Klimatisierung mit Hilfe von Trockenmittelbeuteln kann sinnvoll sein. Als Verpackungsmaterial ist säurefreies, farbloses Papier oder ebensolche Kartons zu empfehlen, bei stark riechenden Objekten auch Kunststofffolien.

Um matt gewordenen Gehäusen oder Schmuckstücken wieder zu Glanz zu verhelfen, hat sich bisher nur Paraffin bewährt. Alle empfohlenen Pasten ergeben keinen Glanz, sondern nur einen Überzug, der vorerst glänzt, aber auf Dauer zu einer Veränderung der Materialstruktur führt. Reines, in einer Drogerie erhältliches Paraffin, aufgelöst in Benzin, ist die sicherste und beste Lösung, um eine lange Haltbarkeit zu erzielen. Die Mischung sollte gleichmäßig eingerieben werden und so oft erfolgen bis das Bakelit „gesättigt“ ist und die oberste Schicht die offenen Poren zu füllen vermag. Dabei gilt, je dünner und feiner das Paraffin gelöst ist, desto schöner auch das Ergebnis. Zum Schluss lässt sich die Oberfläche nach dem kompletten Verdunsten des Benzins wieder aufpolieren.

Zu Bakeltit bzw Kunststoffen siehe weiterführend im Sammler Journal Artikel von Dr. H. Rezepa-Zabel: Bakelit, Teil 1, in: Sammler Journal, Dezember 2009, S.50-59; Teil 2, in: Sammler Journal, Januar 2010, S.48-57. Kunststoffe 40er- bis 70er Jahre, Teil 1, in: Sammler Journal, Januar 2012, S.52-58; Teil 2, in: Sammler Journal, Februar 2012, S.52-58; Teil 3, in: Sammler Journal, März 2012, S.94-99.