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Bayers Notgeld – Design in der Krise

Die galoppierende Inflation in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg war eine der radikalsten Geldentwertungen, die eine große Industrienation je erlebt hat. Bereits am 4. August 1914 hob die Regierung mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges die gesetzliche Noteneinlösungspflicht der Reichsbank in Metallgeld bzw. Gold auf. Das hatte zur Folge, dass bereits 1918 die Mark durch die Finanzierung des Krieges schon mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren hatte, wobei auf dem Schwarzmarkt der Inflationsindex noch wesentlich höher lag.

Das Geld, das man dann in den Anfangsjahren der Weimarer Republik druckte, um die Staatsschulden zu beseitigen, machte die Hyperinflation unausweichlich. Immer schneller verzehnfachte sich die Abwertung gegenüber dem US-Dollar, bis schließlich im November 1923 der Kurs für 1 US-Dollar 4,2 Billionen Mark entsprach. Die maximale monatliche Inflationsrate betrug 32.4 %. Damit vervierfachten sich die Preise pro Woche. Im November ließ die Reichsbank als höchsten Wert einen Geldschein über 100 Billionen Mark (100.000.000.000.000 M) drucken. Zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs wurden riesige Mengen an Scheinen benötigt. Bis zu 133 Fremdfirmen mit 1.783 Druckmaschinen arbeiteten im Herbst 1923 für die Reichsdruckerei Tag und Nacht. Das dafür erforderliche Banknotenpapier wurde von 30 Papierfabriken produziert. Für den Druck stellten 29 galvanoplastische Werkstätten rund 400.000 Druckplatten her. Etwa 30.000 Menschen waren mit der Herstellung der insgesamt ca. 10 Milliarden staatlich ausgegebenen Inflationsscheine (10.000.000.000 Stück) beschäftigt. Der Begriff „Papiermark“ wurde nachträglich eingeführt, um das Inflationsgeld von der vollwertigen Vorkriegs-Goldmark von vor August 1914 zu unterscheiden. Trotzdem reichten die verfügbaren Zahlungsmittel nicht aus. Die Druckmaschinen konnten den schwindelerregenden Wertverlust während der Hyperinflation einfach nicht mehr durch vermehrten Notendruck ausgleichen. Deshalb wurden von mehr als 5.800 Städten, Gemeinden und Firmen eigene Notgeldscheine herausgegeben. Die Bevölkerung nahm alles als Zahlungsmittel an, was wie Geld aussah oder irgendwie „wertbeständig“ wirkte. Insgesamt sind über 700 Trillionen Mark (700.000.000.000.000.000.000 M) als Notgeld und rund 524 Trillionen Mark (524.000.000.000.000.000.000 M) von der Reichsbank verausgabt worden.

Die kommunalen Notgeldausgaben brachten aber neben einigen Vorteilen auch große Nachteile für die Bevölkerung mit sich. Das Notgeld galt nur in den jeweiligen Ausgabeorten, selten weiter als im Landkreis. Darunter litt natürlich der Handel. Reisende mussten sich immer erst vor Ort das jeweils gültige Geld besorgen. In diese Zeit des aufgeblähten Geldumlaufs fallen die Ausgaben des „Notgeldes des Landes Thüringen“. Der Antrag überregionales Geld für die Gemeinschaft der thüringischen Staaten herzustellen wurde am 21. September 1922 in einer ersten Notgeldbesprechung mit dem Staatminister des Reichsfinanzministeriums gestellt, stattgegeben wurde dieser am 8. August 1923, die erste Ausgabe der Scheine erfolgte am 10. August 1923.

Es war kein Geheimnis und sprach sich schnell herum, dass ein einheitliches Notgeld hergestellt werden sollte. Verschiedene Druckereien und andere Firmen boten umgehend ihre Dienste an. Die künstlerische Gestaltung des überregionalen Notgeldes wurde aber dem Maler und Typographen und derzeitigem Jungmeister des Bauhauses Herbert Bayer übertragen. Praktisch über Nacht stellt der 23igjährige, in der liberalen Festung Weimar ein überzeugendes, funktionstüchtiges, die jüngsten programmatischen Ideen des Bauhauses umsetzendes Konzept auf die Beine. Schon zwei Tage später am 10.8. 1923 wurde die erste Serie A Nr.00001 bis Nr.48000 druckfrisch ausgegeben. Die Nennwerte erschienen in Serien von A-Z, erweitert durch AA,BB,CC,DD mit wechselnden Druckfarben. Den Nennwerten und Serien lassen sich bekannte Ausgabedaten zuordnen.

Bis zum 10. Dezember 1923 wurde die Staatsbank in Thüringen ermächtigt Notgeld auszugeben. Zum Schluss bis zu einem Gesamtbetrag von 3 Trillionen Mark. Der höchste Nennwert betrug 2 Billionen. Die gestalterische Grundkonzeption der Scheine über eine Million Mark blieb bis zu den Scheinen von 100 Millionen und 500 Millionen Mark Nennwert erhalten. Bei den Scheinen von 100 Millionen und 500 Millionen Mark wurden allerdings statt der bisher verwendeten serifenlosen Linearantiquaschriften Frakturschriften verwendet.

Die sachliche, unkomplizierte und zweckmäßige, fast uniforme Gestaltung der Noten brachte natürlich Vorteile bei der schnellen Herstellung dieses Notgeldes mit sich. Der thüringische Finanzminister versicherte, dass das Notgeld des Landes Thüringen nur in Weimar bei der Staatsbank und bei der Weimarer Firma Dietsch & Brückner hergestellt wurde. In den ersten Serien wurden auch verschiedene Geheimzeichen aufgenommen, so z.B. Serien mit großen und Serien mit kleinen fortlaufenden Nummern, mit und ohne Stern. Eine weitere Besonderheit der ersten Serien ist beim Wort Million, das auf einer schraffierten Linie steht. Hier ist das „o“ in der unteren Rundung in der Mitte gebrochen. Bei dem auf der rechten Seite querstehenden Schriftsatz in schwarzer Farbe ist in der 4. Zeile nach dem Wort „Notgeldscheines“ ein Bindestrich. Dieser ist ebenfalls gebrochen. In der 5. Zeile „gegen Umtausch in Reichsbanknoten“ ist bei dem „i“ von „in“ der Punkt weggelassen worden.

Der Druck erfolgte durchweg auf Wasserzeichenpapier, wobei das Wasserzeichen einige Male gewechselt wurde. Das Papier ist weiß, holzfrei und hat ein Papiergewicht von 70g/m² bei den Scheinen bis 50 Millionen Mark. Bei den Scheinen von 100 bis 500 Millionen Mark ist das Papiergewicht etwa 90g/m² und bei den Scheinen ab 1 Milliarde Mark 100g/m².

Herbert Bayer nahm 1921 sein Studium am Bauhaus bei Wassily Kandinsky in der Klasse für Wandmalerei auf, das er zwei Jahre später mit der Gesellenprüfung abschloss. Im gleichen Jahr machte Walter Gropius ihn zum Jungmeister der neuen Werkstatt für Druck und Reklame. Die zwischen Juli und September 1923 stattfindende Bauhausausstellung hatte entscheidend zur Klärung des Selbstverständnisses und zur Präzisierung der Zielvorstellungen des Bauhauses beigetragen und die Notgeldscheine sind ein erstes, bisher kaum beachtetes Zeugnis des berühmten Umschwunges, als Walter Gropius das Bauhaus mit dem Schlagwort „Kunst und Technik“ eine neue Einheit von der handwerklichen auf eine technische Gestaltungsgrundlage hin orientierte.

Deutlich erkennt man an Bayers Entwurf den Einfluss der holländischen De-Stijl Bewegung, die zwischen 1921 und 1923 maßgeblich durch den Künstler, Provokateur und Theoretiker Theo van Doesburg in Weimar verbreitet wurde. Bayer nahm das Spiel mit den De-Stijl typischen, starken Farben und Elementarformen, mit Symmetrie und Asymmetrie gekonnt und spielerisch auf. Er ordnet klar umrissene rechteckige Flächen zueinander, horizontal und vertikal, trotz einheitlicher Farbgebung.

Es gelingt ihm nicht nur ein über Werte und Serien hinaus standardisierbarer Entwurf, sondern ein ebenso herausragender, wie moderner. Das wird umso deutlicher, führt man sich vor Augen, dass für die Papiermark gedämpfte Farben und eine Bildsprache gebräuchlich waren, die bevorzugt Wappen, Volkshelden oder historischen Themen aufnahm, gerahmt, verschnörkelt in einer altdeutschen Schrift sprachen sie die gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse an – Formeln zur Stärkung der Volksgemeinschaft – Samen der Blut und Boden-Ideologie.

Interessant, vor allem auffällig, scheint die Wahl der kräftigen Farben, die in einem nahezu regelmäßigen, zeitlich engen Turnus – nach ein bis drei Tagen – ausgegeben wurden. Obgleich der Einsatz der Druckfarben mit Sicherheit abhängig von dessen Verfügbarkeit war, wechseln diese doch konsequent in der kurzen Abfolge. Mit den Notgeldscheinen wurde in einzigartiger Weise ein Farbreigen in Umlauf gebracht – eine eigene Farbtafel für Jedermann. Bayer gelang die wechselnde Abfolge der Primärfarben Gelb, Rot, Blau mit Sekundärfarben (Mischungen zweier Primärfarben) Orange, Grün, Violett und Tertiärfarben (Mischungen zweier Sekundärfarben) Citrin, Russet und Olive, Farben, mit denen Kandinsky seine Farblehre begann.

Zunächst hielt es Kandinsky für zweckmäßig die Farben zu isolieren und dann im Kontext mit anderen zu betrachten. Neben der Untersuchung des jeweiligen „inneren Klanges“ der einzelnen Farben trat in Kandinskys Unterricht ein eingehendes Studium der Beziehungen der Farben zueinander. Über seine Einstellung am Bauhaus zum Problem der Harmonie der Farben lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Festzuhalten ist aber, dass er systematisch untersuchen ließ, wie sich die Farbgebungen je nach Flächengröße und Farbgebung verändern. Bayer scheint sein Publikum, ebenso wie Kandinsky einladen zu wollen, über die Wirkung einzelner Farben und das Zusammenspiel verschiedener Kombinationen nachzudenken.

Die zügig und in großen Mengen in Umlauf gebrachten Scheine präsentierten nicht nur die Schule wirkungsvoll nach außen, sondern warben für pädagogischen Methoden und unkonventionelle Ideen. Vor allem plädierten sie für Neuerung statt Rückzug, für künstlerisches Ethos statt leerem Pathos. Die Notgeldscheine lassen das große Potential von Herbert Bayer ahnen, der seinem Erfolg als einer der profiliertesten und international bekanntesten Typographen des 20. Jahrhunderts voranging.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel

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Bakelit 100, Kunststoff aus Erkner erobert die Welt.

Bakelit Segellampe

Mit elf Schautafeln und acht Vitrinen (mit ca. 80 Exponaten) zeigt die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin nicht nur die Geschichte des Bakelits, sondern auch moderne Kunststoffanwendungen. Daneben wird mit ausgewählten Fotos der Wandel Erkners als ehemaliger Chemiestandort zwischen 1989 bis 2009 dokumentiert.

Ab dem 3.12.09 bis 7.1.2010 ist die Ausstellung in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) zu sehen, Unter den Eichen 87, Haus 5, 12205 Berlin. Weitere Informationen unter: www.chemieforum-erkner.de.

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Künstliche Schönheiten

In den fünfziger Jahren verdrängte der Begriff „Plastik“ das bis dahin gebräuchliche Wort „Bakelit“, das Leo Hendrik Baekeland seit 1909 vermarktete. Sein „Bakelit“ eignete sich für „tausend Zwecke“ und damit floss der Begriff ebenso in den allgemeinen Sprachgebrauch ein, wie zuvor Dynamit, Colt und Sandwich. In den dreißiger und vierziger Jahren war „Bakelit“ zu einem Sammelbegriff für Phenoplaste und Aminoplaste geworden und das hatte durchaus seine Berechtigung, denn mit Baekelands Patenten waren bereits viele der nach und nach angewandten Möglichkeiten zur Herstellung von Pressstoffen gegeben. Die in den zwanziger und dreißiger Jahren entwickelten und geprüften, farbigen Kunststoffe kannte man auch unter anderen Namen.

Einen weiteren Schritt nach der Einführung des Phenolharzes durch Baekeland begründete die British Cyanides Company, die 1924 /25 auf der großen Ausstellung des Britischen Weltreiches in Wembley einen Formpressstoff bekannt machte, der als „die neue weiße Hoffung“ begrüßt wurde und erstmals ein Farbspektrum in Aussicht stellte, das bisher unerreicht war. Da die dort gezeigten Fläschchen mit dem Firmenzeichen – einem Käfer – versehen waren, nannte man die Masse fortan „Beetle“ oder „Beatl“. „Urea formaldehyde“ nannten die britischen Chemiker den Kunststoff, übersetzt Harnstoff-Formaldehyd.

War der Pressstoff, den die Rütgers-Werke in Berlin Erkner zur Produktionsreife geführt hatten, auch der Industrie liebstes Wunderkind, so führte es doch den Nachteil mit sich, dass es nur in einer begrenzten dunklen Farbpalette, die zwischen Rot, Braun und Schwarz variierte, zu haben war. Sofern es sich um mehr als technische Teile handelte, versuchten Kunststoffhersteller so weit wie möglich dem Serienprodukt eine individuelle farbliche Note mitzugeben. Im besten Fall gelangen aber nur exotische Farbschattierungen, die als Holzmaserungen oder Marmormusterungen galten, oder eine Art Eisblumendekor, der durch Beimischungen von Blattgold und -silber erzielt werden konnte. Man bestäubte das Pressharz auch mit Kupferpuder, Ruß und Gesteinsmehl. Wollte man darüber hinaus das Formstück durch helle Teile, wie Griffe, Handhabungen und Knäufe beleben, hatte man sich mit Proteinoplasten, im Besonderen Galalith zu behelfen. Diese als Kunsthorn bezeichnete Masse brachte seit 1885 erstmals kräftige und leuchtende Farben hervor. Nur waren seine Gebrauchseigenschaften gegenüber einem „Bakelit“ minderwertig. Das Material war feuchtigkeitsempfindlich und veränderte rasch seine Gestalt.

Da phenolhaltige Pressmassen nur in dunklen Einfärbungen relativ lichtecht sind, suchte man nach anderen Wegen und Basisrohstoffen.

1920 entwickelte die Firma Raschig in Ludwigshafen ein Phenolgießharz, das als Edelkunstharz unter den Handelsnamen Dekorit, Leukorit, Resinol, Vigopas und Vigorit noch in den 30iger Jahren vertrieben wurde. Es handelte sich um hochwertige Formaldehyd Kondensationsharze aus Phenol und seinen Homologen (engl. cast phenolic resin).

In einem aufwendigen und deshalb sehr kostspieligen Verfahren wurden der Rohstoff ohne Füllstoffe in handgemachte Gehäuse aus Blei, Glas oder Messing gegossen, die jeweils nur einmal verwendet werden konnten. Die honiggelbe bis durchsichtige Masse musste dann drei Tage lang in Öfen bei Temperaturen von 60 bis 100 °C ohne Druckanwendung getrocknet werden. Das Ergebnis war ein sehr schöner, relativ widerstandsfähiger, höchst brillanter Werkstoff, der in allen Farben eingefärbt werden konnte, anschließend poliert wurde, bis die Oberfläche schillerte und jenen charakteristischen Glanz abgab, der heute die betuchten Sammler fasziniert. Im Fokus standen dementsprechend Luxusartikel in gediegenen Formen, wie Zigarettenetuis, Feuerzeugen, Büroutensilien, Schatullen aber auch Schmuckstücke, vor allem als Bernstein-Imitat. Die Lokalfarben erwiesen sich als auf Dauer nicht lichtbeständig. Selbst recht dunkle Farben wie Rot, Grün oder Blau konnten ihren ursprünglichen Ton nicht halten. Pastelltöne oder ein reines Weiß ließen sich nicht erzielen. Zudem war Phenolharz grundsätzlich spröde, so dass der Werkstoff auch nur für dekorative Zwecke verwendet werden konnte. Noch bedenklicher schien der recht kräftige Phenolgeruch, der eine Verwendung im Zusammenhang mit Lebensmitteln von vornherein ausschloss.

Weltweit hatten Chemiker an Möglichkeiten gearbeitet, Pressmassen in einer größeren, hellen und leuchtenden Farbauswahl, als vollwertigen Ersatz für das ursprüngliche Bakelit, herzustellen.

Der Tschechoslowake Hans John soll schon früher fündig geworden sein, als der Wiener Chemiker Fritz Pollack und der Brite Edmund Rossiter, die beide 1924 erfolgreich waren.

In Deutschland konkurrierten vor allem die Dynamit Nobel AG in Troisdorf und die Heinrich Römmler AG in Spremberg in der Niederlausitz um die Herstellung des neuartigen Pressstoffes unter den Namen „Pollopas“ und „Resopal“, das zunächst „Alboresin“ hieß. Diese neuartigen Materialien besaßen für die damalige Zeit so wunderbare Eigenschaften wie Farbtiefe, Widerstandsfähigkeit gegen Chemikalien und Temperatur, Lebensmittelechtheit und große Härte, dass sie zunächst für Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs verpresst wurden.

Um ein möglichst reines Weiß zu erhalten, das hygienischen, wie gehobenen Ansprüchen entgegenkam, wurden Harnstoffharze mit gebleichter Cellulose vermischt und ab 1931 unter dem Namen „Plaskon“ angeboten.

Schon 1926 präsentierte der exklusive Londoner Kaufpalast „Harrods“ Geschirre aus dem neuen Kunststoff in seiner Abteilung für Drechslerwaren. Der Andrang war so phänomenal, dass die englischen Hersteller in der Londoner Regent Street bald ein eigenes Ladengeschäft eröffneten, in dem ausschließlich „Beetleware“ verkauft wurde. Andere Hersteller boten die chicen Tischuntensilien unter den Namen „Lingalonga“ („Halt’ dich länger“) und „Bandalasta“ (nach Brookes and Adams – B(rookes)ANDA(dams) und LAST A long time) an. Der britische Hersteller Brooks & Adams vertrieb seine Teller, Tassen, Schalen, Behältnisse aller Art und Kerzenleuchter mit und ohne Marmorierung über ebenso farbenfrohe Verkaufkataloge. Ab 1932 nahm er noch Picknickkoffer in sein Programm auf und diese wurden der Hit der kommenden Jahre. Die Erzeugnisse belebten nicht nur die häusliche Umgebung, sondern trugen mit ihrer Bruchsicherheit und ihrem geringen Gewicht auch den Bedürfnissen der mobil werdenden Gesellschaft Rechnung.

Nach der großen „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ in Paris im Jahr 1925 verband man die farbigen Kunststoffe ganz selbstverständlich mit einem Stil, der im Rückblick „Art Déco“ genannt wurde.

Art Déco brachte die Moderne, das neue Lebensgefühl und die außergewöhnliche künstlerische Vielfalt, in der orientalische Farben, kubistisch-abstrakte Formen und futuristisches Stromliniendesign keinen Widerspruch darstellten, auf den Punkt. Das Repertoire der Verarbeitung der „Bakelite“ schien grenzenlos. Seine Verwendbarkeit, seine Formenvielfalt, sein breites Farbspektrum, eingeschlossen seiner Möglichkeiten Naturmaterialien, wie Elfenbein, Horn, Schildpatt, Jade und Onyx zu imitieren oder es mit Edelmetallen, mit Rheinkieseln und echten Steinen zu kombinieren, wurde Konsumenten ebenso eindringlich vorgeführt, wie die überraschende Höhe der kunsthandwerklichen Verarbeitung und Formfindung. Bemerkenswert ist wie „schmuckhaft“ die neuen und alten Accessoires für die Damen gefertigt waren. Zigarettenspitzen, Abendtaschen oder kleine Behältnisse, „vanities“ und „minaudières“ für unerlässliche Kosmetika wie Puder oder Lippenstift sind weit mehr Schmuckstück als Gebrauchsgegenstand und belegen eindrücklich den unbändigen Wunsch nach Abgrenzung in diesen Jahren. Noch bevor die legendäre Coco Chanel 1928 den Modeschmuck wirklich salonfähig machte, war er 1925 in Paris, wo allein 40 Hersteller von Modeschmuck ihre Schmuckstücke präsentierten, längst Tagesgespräch. Spektakulär waren die großen französischen Juweliere, die mit ausgesprochen avantgardistischen Entwürfen herausragende Kreationen vorstellen und auch nicht vor der Verwendung der neuen Kunststoffe Halt machten. René Lalique fertigte Gießharzentwürfe für Broschen und Schmuckdosen an. Sein Mitarbeiter Eduard Fornells, stellte ebenfalls in seinem Pariser Atelier Ziergegenstände aus Harnstoff her. Um 1930 zogen auch die Cartier Juweliere mit Schmuckentwürfen nach.

Ein Wegbereiter des Kunststoffschmucks war die französische Manufaktur des Auguste Bonaz. Seine signierten Kreationen zeichneten sich durch eine wohl aufwendig gearbeitete, aber einfache geometrische Formgebung und starke Farbkontraste aus.

Nach 1925 bezogen auch deutsche Schmuckshersteller, wie Jacob Bengel in Idar-Oberstein und Henkel & Grosse in Pforzheim Kunststoffe in ihre Entwürfe ein. Über viele Jahre wurden die Schmuckstücke der Bengelproduktion für französische Arbeiten gehalten. Ihre strenge technoide Formensprache verdankten sie aber letztlich dem Bauhaus. Henkel & Grosse erlebte seinen eigentlichen Höhepunkt mit „Christian Dior Bijoux“ für dessen Herstellung die Firma in den 50iger Jahren die Exklusivlizenz erhielt. Ihr neunsträngiges Perlen-Collier für Dior fertigte das Unternehmen aus elfenbeinfarbenen Bakelitperlen, deren Materialqualität in dem vergoldeten Verschluss noch unterstrichen wurde.

Bereits in den zwanziger Jahren schwappte der Boom der farbigen Kunststoffe auch nach Amerika über. Nachdem die Monopolstellung der Bakelit-Patente hinsichtlich Herstellung und Verarbeitung von Phenoplasten ab 1927 bis 1931 ausgelaufen war, herrschte auch dort eine lebhafte Aufbruchstimmung in der Kunststoffindustrie.

„Juwelenhafte Schönheit“ wurde dem „Catalin“ zugesprochen, das die „American Catalin Corporation“ entwickelte und ab 1930 auf den Markt brachte. Das Unternehmen erzielte ein breites Spektrum satter Farben, etwa Rot, Orange, Grün, Gelb und subtile Pastelltöne, in einer Palette von durchscheinend bis schrillweiß. Sie strahlen noch heute so kräftig wie am ersten Tag. Catalin ließ sich in Formen gießen und anschließend durch Schnitzen, Fräsen, Drechseln, Sägen, Bohren weiterverarbeiten. Eine Bandbreite dieser Möglichkeiten führt die Palme, das Symbol der oft auch als „Hollywood-Stils“ bezeichneten amerikanischen Moderne vor.

Zeitgleich warteten in Europa schon andere Chemiker mit einem wesentlichen verbesserten Kunstharz auf, einem Kondensat von Melamin und Formaldehyd.

Die künstlichen Polymere drangen rapide in die Lebenswelt Amerikaner und der Europäer ein, schienen restaurative Tendenzen ganz auszuschließen und waren geradezu prädestiniert auch Vorstellungen des Funktionalismus in weite Bevölkerungsschichten zu tragen. Es war nur folgerichtig, dass in einem Bereich, wie die Küche, in dem Nützlichkeit und nicht Dekor immer die wichtigste Rolle gespielt hatte, Ideen greifen konnten, die Zeit und Aufwand zu sparen versprachen. Bei Verbrauchern mussten kaum Vorurteile gegen die neuen Kunststoffe überwunden werden. Die vielen nützlichen Alltagshilfen, groß, klein, einfach oder technisch raffiniert und ebenso die modischen Accessoires, ihr faszinierendes Erscheinungsbild machten gesellschaftliche Veränderung sichtbar und erlebbar.

Zu Beginn der dreißiger Jahre beauftragte die deutsche Kunststoffindustrie erstmals Formgestalter, die bereits mit den Ideen des Deutschen Werkbundes und Bauhauses vertraut waren, Entwürfe für kunststoffgerechte Gebrauchsartikel und Geräte anzufertigen. Im Wesentlichen ging es allen Beteiligten darum, dass die Dinge den Menschen vor allem das Leben erleichtern sollten, statt sich von eigenmächtigen Modelaunen leiten zu lassen. Obwohl sich das Bauhaus den für die Massenproduktion so leicht handhabbaren Harzen erstaunlicherweise verschloss, waren es doch der auf die Schule verweisende Anspruch und sein formales Repertoire, das den Kunststoffen zu mehr Aufmerksamkeit verhalf. Vorzügliche Geschirre entwarfen Christian Dell, der ehemalige Werkmeister der Metallwerkstatt des Bauhauses in Weimar für die Römmler AG und auch der vielseitige Kunstgewerbelehrer Friedrich Adler für die Brebit-Pressstoffwerke. Ihre funktionalen Formgebungen bestätigten sich in den kompakten, geschlossenen Pressformen, ohne Hinterschneidungen, in glatten Oberflächen, gerundeten Ecklösungen und Flächenübergängen.

Zweifelsfrei sind die „künstlichen Schönheiten“ aus Bakelit beeindruckendes Substitut und Surrogat, noch mehr sind sie heute materialgeschichtlich unwiederbringliche Dokumente und stellen eine die Moderne weit übergreifende Anthropologie des Geschmacks und Sozialgeschichte der Produktkultur zur Verfügung.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel
Zu Bakeltit bzw Kunststoffen siehe weiterführend im Sammler Journal Artikel von Dr. H. Rezepa-Zabel: Bakelit, Teil 1, in: Sammler Journal, Dezember 2009, S.50-59; Teil 2, in: Sammler Journal, Januar 2010, S.48-57. Kunststoffe 40er- bis 70er Jahre, Teil 1, in: Sammler Journal, Januar 2012, S.52-58; Teil 2, in: Sammler Journal, Februar 2012, S.52-58; Teil 3, in: Sammler Journal, März 2012, S.94-99.l

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Bakelit pflegen und bewahren

Wie Bakelite sich am besten pflegen und reinigen lassen, dazu kursieren sehr viele verschiedene Empfehlungen, v.a. allem für verschiedenste Mittelchen. Wer aber wirklich nur eine Verschmutzung entfernen will, ist gut beraten nur einen weichen Lappen und wenig Wasser zu verwenden. Am sichersten ist destilliertes oder entkalktes Wasser, um etwaiges Einreiben der Kalkreste in die Poren zu vermeiden. Reinigungsmittel enthalten immer mehr oder weniger große Schleifmittel. Sie reinigen nur durch die mechanische Bewegung, die eingebracht wird. Entsprechend „schleifen“ sie den Schmutz weg und verletzen zwangsläufig immer die Oberfläche. Wenn wirklich hartnäckige Flecken zu entfernen sind, kann man auf zuerst Methanol, dann auf Ethanol, und nur wenn es zwingend nötig ist, auf Propanol zurückgreifen.

Gelagert werden Bakelite am besten dunkel, trocken und einzeln. Eine Klimatisierung mit Hilfe von Trockenmittelbeuteln kann sinnvoll sein. Als Verpackungsmaterial ist säurefreies, farbloses Papier oder ebensolche Kartons zu empfehlen, bei stark riechenden Objekten auch Kunststofffolien.

Um matt gewordenen Gehäusen oder Schmuckstücken wieder zu Glanz zu verhelfen, hat sich bisher nur Paraffin bewährt. Alle empfohlenen Pasten ergeben keinen Glanz, sondern nur einen Überzug, der vorerst glänzt, aber auf Dauer zu einer Veränderung der Materialstruktur führt. Reines, in einer Drogerie erhältliches Paraffin, aufgelöst in Benzin, ist die sicherste und beste Lösung, um eine lange Haltbarkeit zu erzielen. Die Mischung sollte gleichmäßig eingerieben werden und so oft erfolgen bis das Bakelit „gesättigt“ ist und die oberste Schicht die offenen Poren zu füllen vermag. Dabei gilt, je dünner und feiner das Paraffin gelöst ist, desto schöner auch das Ergebnis. Zum Schluss lässt sich die Oberfläche nach dem kompletten Verdunsten des Benzins wieder aufpolieren.

Zu Bakeltit bzw Kunststoffen siehe weiterführend im Sammler Journal Artikel von Dr. H. Rezepa-Zabel: Bakelit, Teil 1, in: Sammler Journal, Dezember 2009, S.50-59; Teil 2, in: Sammler Journal, Januar 2010, S.48-57. Kunststoffe 40er- bis 70er Jahre, Teil 1, in: Sammler Journal, Januar 2012, S.52-58; Teil 2, in: Sammler Journal, Februar 2012, S.52-58; Teil 3, in: Sammler Journal, März 2012, S.94-99.

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Bakelit erkennen

Grundsätzlich lässt sich ein künstlicher Stoff mit eindeutiger Sicherheit nur durch chemisch-analytische, invasive Verfahren identifizieren und diese können nur in entsprechend ausgestatteten Laboratorien vorgenommen werden. Solche Analysen sind ebenso aufwendig wie kostspielig.

Will man sein Stück aber nicht beschädigen, aber dennoch eine Wahrscheinlichkeit nahe legen, dass Bakelit vorliegt, bieten sich verschiedene, mehr oder weniger unspezifische Prüfungen an.

Aussehen:

Ein erster Eindruck lässt sich über die Oberfläche des Stückes gewinnen.
Die Farben der Phenolpressmassen – die vorzugsweise als Bakelit gelten – variieren zwischen Schwarz, Dunkelbraun, Rotbraun und Grünbraun, allenfalls war ein gelbliches Braun möglich. Andere Farbverläufen wurden der Masse während des Pressvorganges z.B. durch Kupferpuder und Gesteinsmehl lediglich aufgeschmolzen.

Die im Laufe der zwanziger und dreißiger Jahre entwickelten Phenolgießharze – wozu auch Catalin zählt – und die Aminoplaste (Harnstoff- und Melaninharze), die bis in die sechziger Jahre unter den Begriff Bakelit gefasst wurden, konnten in hellen, bunten und durchscheinenden Farben hergestellt werden. Sie sind “von Natur aus” glatt und weisen oft nur an ihren Unterseiten oder in Zwischenräumen unbearbeitete oder matt geschliffene Schnittflächen des Rohbakelits auf. Im Vergleich sind die Oberflächen der Phenolpressmassen auf Grund der zugefügten Füllstoffe nie glatt, selbst dann nicht, wenn sie wunderbar glänzen. Immer zeichnen sich kleine und kleinste Unebenheiten ab. Oft lassen sich auch kleine Risse und poröse Stellen finden.

Phenolgießharze, wie Catalin, sind nicht leicht von Harnstoffharzen zu unterscheiden. Alle Farben bleichen im Sonnenlicht gleichermaßen aus. Bevorzugt wurden Phenolgießharze der zwanziger Jahre aber in gediegenen Tönen, insbesondere in dem natürlichen Farbspektrum der Bernsteine. Ihre Formteile wurden meist im Nachhinein zusammengesetzt. Sie sind verzinkt, genagelt, auch verschraubt, aber nicht geklebt. Man begann erst Ende der fünfziger und sechziger Jahre kleinere Teile – vor allem im Bereich Schmuck – miteinander zu verkleben. Im Vergleich zu Catalin, weisen die Lokalfarben der Harnstoffharze insgesamt mehr Leuchtkraft auf. Betrachtet man letztere direkt vor einer Lichtquelle werden noch Wellen und Rippen sichtbar. Oft wurden diese Schlieren durch Hinzufügung subtiler Farben zusätzlich verstärkt. Dadurch entstand der Effekt einer Marmorierung.

Im Gegensatz zu den Harnstoffharzen wurden Stücke aus Catalin eher dicker ausgeformt. Bevorzugt kombinierte man auch verschiedene Lokalfarben in einem Stück. Behältnisse aus Harnstoffharzen sind dagegen eher dünnwandig und beschränken ihre Farbauswahl meist auf ein bis zwei Farben.

Hör-Test:

Bakelite klingen – sofern sie sich aneinander stoßen lassen – kräftig und hell, vergleichbar den Tönen die Castagnietten erzeugen. Dünnwandige Stücke klingen ähnlich, aber leiser, schon wenn man sie mit dem Fingernagel anschnippt.

Riech-Test:

Unverwechselbar ist der Geruch, den Phenolharz beim Erhitzen erzeugt. Der Versuch an der Oberfläche zu reiben bis es heiß wird, ist oft erfolglos und daher nicht sehr aussagekräftig. Gießt man heißes Wasser darüber, vermag man eher zu Erfolg kommen. Bei Phenolharzen wird ein typischer Formaldehydgeruch frei, der als Allerweltschemikalie auch über viele stechende Desinfektionsmittel bekannt ist. Harnstoffharz riecht dagegen „fischig”, Galalith nach „verbrannter Milch” und Celluloid nach Kampfer oder Essig.

Färbe-Test:

Reibt man mit einem Tuch, oder einem Q-Tip, das mit einer Silber- oder Chrompolitur getränkt ist, an dem Stück, färbt es sich gelblich. Ratsam ist es, dafür eine uneinsehbare Stelle zu wählen, weil diese Anwendung die Oberfläche etwas angreift. Der “Gelbton“ variiert von Stück zu Stück, denn sowohl die verschiedenen Phenolharze, wie die Farben selbst, liefern jeweils ein unterschiedliches Gelb. Beispielsweise erzeugt ein Grün einen etwas dunkleren Gelbton als ein Rot.

Dieser Test kann nur funktionieren, wenn das edle Stück nicht lackiert ist, oder seine „Patina” nicht bereits restlos entfernt wurde.

Hitze-Test:

Erhitzt man eine Nadel und bringt diese mit dem Kunststoff in Verbindung, bleibt das Stück – wenn Bakelit vorliegt – unbeschädigt. Dabei ist äußerste Vorsicht geboten, denn manche Kunststoffe sind entflammbar, oder verändern sich an der betreffenden Stelle farblich. Bernstein wird sich sogar verformen.

Gewicht:

Im Vergleich zu den jüngeren, seit den fünfziger Jahren auf der Basis von Erdöl produzierten Kunststoffen – auch im Vergleich zu natürlichem Bernstein – ist die Familie der Bakelite schwerer. So schwimmt Bernstein in einer 16-prozentigen Lösung von Kochsalz in Wasser (weißer und schwarzer Bernstein schwimmt noch in einer 6-prozentigen Lösung), während Bakelite absinken.

Marken:

Über Markierungen von Kunststoffen könnte manches zusammengetragen werden. Bereits eine Zusammenstellung nur der wichtigsten Hersteller und weiterverarbeitenden Betriebe ist ein Desiderat von Forschern und Sammlern.

Hier kann nur so viel Erwähnung finden: In Deutschland wurden ab 1928 die Rezepturen, die jeweils speziell auf ihren Gebrauch hin entwickelt waren, mit einem Kontrollstempel des Materialprüfamtes Berlin-Dahlem, den die „Technische Vereinigung der Hersteller und Verarbeiter typisierter Kunststoff-Formmassen e.V.” einführte, versehen. In dem Prüfzeichen identifiziert ein zweistelliger Code über dem stilisierten M das Presswerk, der Code unter dem M die Art der Pressmasse.

Bei den Handelsnamen von Kunstoffen war und ist es in Deutschland noch oft verbreitet, Firmen und Ortsnamen einzubinden. Beispielsweise hat die damalige Firma Albert die Phenoplast-Lackharze herstellte, die Bezeichnungen Albertol, Albertit und Albermit eingeführt. Ebenso dürfte man bei der H.Römmler AG in Spremberg auf den Namen „Hares” gekommen sein, das den Initialen „HRS” erwachsen war.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel

Zu Bakeltit bzw Kunststoffen siehe weiterführend im Sammler Journal Artikel von Dr. H. Rezepa-Zabel: Bakelit, Teil 1, in: Sammler Journal, Dezember 2009, S.50-59; Teil 2, in: Sammler Journal, Januar 2010, S.48-57. Kunststoffe 40er- bis 70er Jahre, Teil 1, in: Sammler Journal, Januar 2012, S.52-58; Teil 2, in: Sammler Journal, Februar 2012, S.52-58; Teil 3, in: Sammler Journal, März 2012, S.94-99.

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FUGA

Sven Palmqvist experimentierte für die schwedische Glasmanfaktur Orrefors ab 1939 mit sich drehenden Stahlformen. Die heiße Glasmasse wird mittels der Zentrifugalkraft in eine Form gegossen, die sich mit bis zu tausend Umdrehungen in der Minute dreht.

In den späten 1940er Jahren griff Palmqvist die Idee wieder auf und ab 1953 wurden FUGA oder auch COLORA genannte Glasschalen angeboten. Später wurde diese Technik von anderen Designern wie zum Beispiel Jan Johansson aufgegriffen.

Sigrid Melchior M.A., Expertin für skandinavisches Glas.

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KRAKA

Der Name geht auf einen altnordischen Mythos zurück. Die weise Frau Kraka wird von einem Mann zu einem Treffen gebeten. Die daran verknüpfte Aufgabe ist es, sich weder bekleidet noch unbekleidet einzufinden. So schlingt sie sich ein Fischernetz sich und erscheint. Sven Palmqvist hat 1944 für die schwedische Glasmanufaktur Orrefors auf Basis von GRAAL-Glas die KRAKA-Technik entwickelt. Palmqvist hat Netze aus feinem Draht oder Kunststoffe auf ein vorgefertigtes Werkstück aufgebracht, das im Anschluss sandgestrahlt oder in Säure getaucht wird. Nach dem Abnehmen des Netzes hinterlässt es einen Abdruck aus feinen Stegen und Vertiefungen. Daraufhin wird das Glas nochmals erhitzt, farblos überstochen und ausgeblasen. Luftblasen können sich bei diesem Prozess in den Vertiefungen verfangen. Doch erst seit 1947 wurden sie Teil des Dekors, als auch die für KRAKA-Glas heute üblichen Farben blau und gelb das weiß der Jahre davor abgelöst hatten.

Sigrid Melchior M.A., Expertin für skandinavisches Glas.

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Die Gute Form in den nordischen Ländern

Die Skandinavier besitzen ein außergewöhnliches gestalterisches Talent. Über Jahrhunderte war ihre Kultur durch die schlichten Gebrauchsformen des ländlichen Geräts bestimmt und das Gefühl für gute Formen fest in der breiten Bevölkerung verankert. Bis heute zeichnet die gewachsene Verbindung schöner organischer Formen mit hoher Gebrauchstüchtigkeit im Alltag skandinavischen Designs aus.

In den Jahren zwischen den Kriegen rückten Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland zu beachteten Zentren des Kunsthandwerks und der vorbildlichen Serienproduktion von Gebrauchsgerät auf. Ihre Formkultur hatte mit der Werkbundbewegung ungeahnte Aktualität gewonnen. Die „volksnahen“ Entwürfe erfüllten die im Werkbund ausgerufenen Forderungen nach Gediegenheit, nach Funktionalität, nach Qualität. Sie eigneten sich vorbildlich die Kluft zwischen Kunsthandwerk und Industrieproduktion zu überbrücken.

Den Anfang machte dabei die Glasproduktion. Die führende Hütte Kosta und die kleinere Manufaktur Reijmyre hatten um 1900 bereits mit guten Jugendstilgläsern auf sich aufmerksam gemacht. Die 1898 gegründete Manufaktur Orrefors stellte ab 1913 ihr gesamtes Produktionsprogramm, auf die Zusammenarbeit von Künstlern und Handwerkern ab. In den 20er Jahren war die Firma bekannt für gutes Geschirr in den mittleren Preislagen und für die kunstvollen Ausstellungstücke von Edward Hald (1883-1980) und Simon Gate (1883-1945). Die formal und technisch neuartige Schüssel von Gate markierte für die Weltausstellung in Stockholm einen überraschenden Aufbruch. Beide Künstler verschafften der Hütte ein unverwechselbares Profil, das bald alle anderen Länder des Nordens beeinflusste. Die konsequentesten Entwürfe im Sinne des Funktionalismus der Zeit sind die Gläser Gerda Strömbergs für die Hütte Eda und Strömbergshyttan. Sie beschränken sich auf klare Konturen, die sich meist auf elementare stereometrische Formen wie Kugel, Kegel und Ellipse beziehen.

Die Tendenz zur Modernisierung wurde zusätzlich verstärkt durch wirtschaftliche und soziale Veränderungen. Das verdeutlicht der Designwettbewerb für Massenprodukte aus Glas, den die finnische Firma Karhula 1932 ausschrieb und den Aino Marsio Aalto mit schlicht gerippten Modellen gewann.

Die fünfziger Jahre brachten die schrittweise Ablösung der bisherigen Dominanz der schwedischen Glashütten durch finnische Manufakturen, namentlich die in Riihimäki, in Ittala und in Nuutajärvi. Die Entwicklung des Gebrauchsglases wurde vor allem von Entwerfern wie Kaj Franck, Tapio Wirkkala und Timo Sapaneva bestimmt. Ihre Entwürfe erhielten auf den, für die fünfziger Jahre als Entwicklungsbarometer fungierenden, Mailänder Triennalen die großen Auszeichnungen.

Expertenanfragen bezüglich Gläsern der Hütten Flygsfors, Holmegaard, Iittala, Karhula, Kosta Glasbruk, Nuutajärvi, Orrefors, Riihimäki richten Sie bitte an Sigrid Melchior M.A. für design20.eu.

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Kosta glasbruk

1741 erwarben die Generäle Anders Koskull und Georg Bogislaus de Staël von Holstein eine Lizenz für eine Glashütte. Kosta glasbruk benannt nach den beiden Gründern – durch Zusammenziehen der ersten Silben ihrer Familiennamen (Ko/Sta=Kosta) – konnte schon 1742 in der rohstoffreichen Region Småland eröffnen und ist heute die älteste schwedische Glashütte in Betrieb.
Anfangs wurde einfaches Fenster- und Hohlglas für den täglichen Gebrauch produziert, später kamen verzierter Tafelschmuck und Kronleuchter für den Königlichen Hof in Stockholm sowie für schwedische Kirchen hinzu. Während des gesamten 19. Jahrhunderts wurde die Glashütte immer wieder modernisiert, dazu gehörte unter anderem die Produktion von Schliff- und Pressglas und von Lampen.

Zur Herstellung von Kunstglas, das lediglich einen kleinen Teil der Produktion ausmachte, folgte Kosta  ab den 1890er Jahren dem Beispiel internationaler Manufakturen und stellte 1898 mit Gunnar G:son Wennerberg (1863-1914) den ersten Künstler als Entwerfer für Form und Dekor ein. In den kommenden Jahren prägten der Schleifer Axel Enoch Boman (1875-1949), der Maler Edvin Ollers (1888-1960) sowie die Künstler Sven Leonard Erixson (1899-1970), ab den 1920er Jahren Ewald A.F. Dahlskog (1881-1950) und Elis Bergh (1881-1954) die Linie des repräsentativen Kunstglases. Bergh prägte als künstlerischer Leiter die Glashütte bis 1950 und war mit weit über 2500 Entwürfen der produktivste Formgeber Schwedens. Sein Nachfolger Vicke Lindstrand (1904-1983) entwickelte in den 1950er Jahren ein neues Produktionsprogramm, das neben den Gläsern für die Massen das kreative Kunstglas weiterhin förderte. Lindstrand selbst führte neue Verfahren beim Zwischenschichtdekor ein und schuf freie, geschliffene Glasskulpturen.

1964 fusionierte der damalige Hüttenbesitzer Erik Åfors Kosta mit Boda Bruks AB und weiteren Hütten unter dem Namen Kosta Boda AB. Auch unter der neuen Geschäftsleitung wurden weiterhin Künstler beschäftigt, unter anderen Mona Morales-Schildt (geb. 1908), Ann Wärff (geb. 1937), Göran Wärff (geb. 1933), Rolf Sinnemark (geb. 1941) und Sigurd Persson (geb. 1920). Nach 1970 erlebte Kosta Boda AB mehrere Besitzerwechsel, bis 1990 die Übernahme der Hütte durch ihren größten Konkurrenten Orrefors erfolgte. Die drei Manufakturen firmierten unter der Bezeichnung Orrefors Kosta Boda AB. Heute gehört die Gruppe zur schwedischen Holding New Wave Group AB, die die Aufrechterhaltung der eigenständigen Programme von Kosta Boda und Orrefors weiter fortsetzt.

Derzeit wird die farbenfrohe Linie von Designern wie Olle Brozén (geb. 1963), Anna Ehrner (geb. 1948), Kjell Engman (geb. 1946), Ulrica Hydman-Vallien (geb. 1938), Åsa Jungnelius (geb. 1975), Ludvig Löfgren (geb. 1972), Bertil Vallien (geb. 1938) und Göran Wärff geprägt.

Sigrid Melchior M.A., Expertin für skandinavisches Glas.

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Metallkunst im Sinne des Bauhauses

Das Deutsche Goldschmiedehaus in Hanau präsentiert bis zum 5. Juli 2009 mit der Sammlung von Giorgio Silzer mehr als 250 Objekte aus Messing, Kupfer, Zinn, Silber und Aluminium. Mehrteilige Tee- und Mokkaservice, Kannen, Schalen, Platten, Vasen, Becher, Kerzenleuchter sowie Likörsets und Schreibzeuge dokumentieren eindrucksvoll die Vielseitigkeit von handwerklicher Ausführung und maschineller Fertigung der Metallkunst des frühen 20. Jahrhunderts. Namhafte Bauhaus Künstler wie Marianne Brandt, Christian Dell, Emmy Roth, Karl Raichle, Hayno Focken sowie ausführende Werkstätten und Firmen wie Treusch in Leipzig; Christopfle & Cie in Paris, Wilkens & Söhne AG Bremen, die WMF in Geislingen, die Metallwarenfabrik Ruppelwerk in Gotha oder die Werkstätte für künstlerische Metallbearbeitung Albert Gustav Bunge belegen das breite Spektrum der Metallgestaltung inder ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Der aus Oberschlesien stammende, international bekannte Geiger und frühere Konzertmeister Giorgio Silzer (geb. 1920) trug im Laufe seiner Sammeltätigkeit eine umfangreiche Kollektion von kunsthandwerklichen Arbeiten im Bereich Metallkunst, Glas und Keramik im Besonderen des Jugendstils, des Art Décos und Funktionalismus im Sinne des Bauhauses zusammen.

Die Ausstellung „Metallkunst im Umbruch 1920er bis 1950er Jahre. Sammlung Giorgio Silzer“ ist täglich, außer montags, von 11.00 bis 17.00 Uhr, bis 5. Juli im Deutschen Goldschmiedehaus Hanau zu sehen.

Deutsches Goldschmiedehaus Hanau, Altstädter Markt 6, 63450 Hanau.
www.gfg-hanau.de, www.museen-hanau.de