Beschreibung
Diese seltene, antike ! Sektschale zählt zu dem insgesamt 12-teiligen Kelchglassatz, der zum Arrangement des Speisetisches, mit dem sich Peter Behrens an der Münchner Jahresausstellung im Glaspalast 1899 beteiligte, gehörte. Das Exklusivrecht am Vertrieb der Gläser besaß der Berliner Kunstsalon Keller & Reiner. Das hier angebotene Glas stammt aus dieser Zeit.
Die Abweichungen zu der Neuauflage zeigen sich deutlich sowohl an der geringeren Lichtdurchlässigkeit des Glases, als auch an den leicht abweichenden Maßen. Die Bodenplatte des antiken Glases ist in der Mitte stärker gewölbt und nach außen hin flacher. Das beeinflusst auch insgesamt die Gesamthöhe. Auch der Durchmesser der Kuppa variiert gegenüber der Neuauflage.
Die Gründe dafür liegen in dem damals nicht 100% zu läuterndem Quarzsand der Glasschmelze. Im Vergleich zu dem heutigen Glas erscheint das antike daher leicht grau. Zudem wurde die Kuppa damals nicht in eine Stahlform, sondern in eine Holzform geblasen, die mit der Zeit ausbrannte, und damit den Durchmesser des Glases leicht erhöhte und auch noch Einfluss auf die Oberflächenstruktur des Glases nahm.
In der Geschichte des modernen Glases steht dieser Gläsersatz am Anfang einer Entwicklung, die den Jugendstil und die frühe Moderne gerade einleitete.
Behrens’ Anliegen war eine „Kunst für Jedermann“ zu schaffen. Er brachte die „Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst und Industrie“ in deutschen Unternehmen auf den Weg und leistete gerade mit diesem Gläsersatz Pionierarbeit. Ab 1907 zählte er zusammen mit 11 weiteren Künstlern und Industriellen zu den Gründern des für dieses Ziel ab 1907 angetretenen Deutschen Werkbundes. Die zeitgenössischen Reformkriterien und Maximen des Bundes – zu dessen Begründern Peter Behrens zählte – wurden mit diesem Gläsersatz erstmals greifbar: künstlerische Qualität, Zweckorientierung, Material- und Konstruktionsgerechtigkeit. Die besondere Leistung von Peter Behrens erkannte man darin, dass er „als erster das Trinkglas von unorganischen Verzierungen befreite und die Wirkung ganz auf die, aus dem Materialbegriff des Glases entwickelten Formen verlegte“ (Karl With 1912/13).
Zu dieser „Klarheit“ bekannte sich die Glasindustrie erst nach und nach. Behrens Gläsersatz steht ganz am Anfang dieser Entwicklung. Im Besonderen wurde der von Behrens eigens für diesen Satz entworfene geschwellte Schafft vielfach für Weingläser nachgeahmt. (Heute begründet der Handel mit diesem Argument allzu leichtfertig seine Zuschreibungen.)
Im Gegensatz zu den Gläsersätzen, die Behrens später entwarf, eignete sich dieser erste Gläsersatz, tatsächlich für die industrielle Fertigung, an der dem Werkbund so gelegen war. So hat die Rheinische Glashütten AG Köln-Ehrenfeld drei Jahre später, im Jahr 1901, manche Gläser dieses Satzes in der gleichen Form, jedoch in unterschiedlichen Maßen neu aufgelegt. Damit hatte Behrens Entwurf, zu einen unvergleichlich frühen Zeitpunkt, das wesentliche Ziel der Moderne, „gut gestaltetes Gebrauchsgerät für Jedermann“ bereitzustellen, bereits erreicht.
Peter Behrens war Maler und ausgebildeter Architekt, aber seine Entwürfe für Kunstgewerbe, im Bereich Glas, Keramik, Metall und Typografie, im Besonderen seine beispiellose Anstellung zum künstlerischen Beirat der AEG waren revolutionär. Die moderne Designgeschichte erhebt ihn deshalb zum ersten Industriedesigner Deutschlands. Seine Gläser, insbesondere aus diesem ersten Satz, sind in den wichtigsten deutschen Design- und Kunstgewerbemuseen vertreten.
Der ganze Satz wurde erstmals abgebildet in: Dekorative Kunst Jg. 3, 1899/1900, Abb.S.18/19. Siehe auch: Peter Klaus Schuster: Peter Behrens und Nürnberg, Geschmackswandel in Deutschland: Historismus, Jugendstil und die Anfänge der Industrieform, Ausst. German. Nationalmuseums Nürnberg, München 1980, Abb. 69, S.60; weiterführend: Schröder, Udo, Trinkgläser vom Jugendstil zum Art Deco. Hamburg 1998, Abb. S.131; Museum Künstlerkolonie Darmstadt, Bestandskat. Mathildenhöhe Darmstadt 1990, Abb. S.16; Kat. Deutsches Museum für Kunst in Handel und Gewerbe, 1997, S.90; H. Rezepa-Zabel: Deutsches Warenbuch, Reprint und Dokumentation, 2005, S.134.
Preisref.: Herr-Auktionen, Auktion 68, Los 186, Taxe: 900,- €
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