Beschreibung
Richard Riemerschmid war ein bedeutender Künstler des so genannten Münchner Jugendstils, geb. 1868 in München, gest. 1957 ebenda. Er war Architekt, Entwerfer für Kunstgewerbe, Mitbegründer der „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“ München (1897) und des Deutschen Werkbundes (1907) und schuf den Bebauungsplan der ersten deutschen Gartenstadt in Hellerau bei Dresden, der im Zuge der Gründung der „Deutschen Werkstätten“ (ehemals „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“) nach 1908 umgesetzt wurde. 1912–1924 leitete er die Kunstgewerbeschule in München (die 1946 in die Akademie eingegliedert wurde), war Jurymitglied des vom Dürerbund und Deutschen Werkbundes herausgegebenen Deutschen Warenbuches (1915), der bauliche und künstlerische Leiter der Deutschen Gewerbeschau München 1922 und von 1926 bis 1931 als Professor und Direktor der Kölner Werkschulen tätig. Riemerschmid war beeinflusst von der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung und entwarf Möbel und Gebrauchsgegenstände nahezu aller Werkstoffebereiche.
Zu seinen frühesten Entwürfen zählt das 1898 im Auftrag der Vereinigten Werkstätten hergestellte so genannte „Secessionsbesteck“, das erstmals auf der Ausstellung der Münchner Secession gezeigt wurde. Aus diesem entwickelt Riemerschmid 1911/12 zunächst das in der Form gemäßigte Besteck „M350“ im Auftrag des Juweliers Carl Weishaupt in München, das von der Firma Bruckmann in Heilbronn ausgeführt wurde und bald das hier angebotene, ebenfalls von Bruckmann ausgeführte Menuebesteck Nr. 5351 (1914/15). Damit entwickelte Riemerschmid drei verschiedene, aber stilistisch und formal sehr verwandte Besteckmuster. Ihre Entwürfe waren sowohl der historischen Spatenform entlehnt wie vom Jugendstil und dessen floralen Mustern inspiriert, ausgehend von der Tulpe mit ihrem geraden und rundem Stiel und der einzigen aufrechten Blüte als ideales Ornament.
Das „Secessionsbesteck“ war eine Auftragsarbeit für die erst 1898 gegründeten „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“, die den Alleinvertrieb unter ihrem Namen und unter Ausschluss eines Hinweises auf den eigentlichen Fabrikanten, das Besteck anboten. Kontakte zur Heilbronner Firma sind schon seit den frühen 1880er Jahren nachweisbar. Die Verbindung zwischen Bruckmann und Riemerschmid war durch die sezessionistische Bewegung und durch den Deutschen Werkbund, dessen langjähriger Vorsitzender Peter Bruckmann, gegeben. Riemerschmid selbst zählte zu den Gründungsmitgliedern des Bundes und zum „Beratenden Ausschuss“ des „Deutschen Warenbuches“, das der Werkbund als vorbildliches Verzeichnis deutschen Industriedesigns bzw Gewerbekunst im Jahr 1915 herausgab. Das hier angebotene Besteck fand Eingang in dieses Kompendium und ebenfalls in der hier angebotenen 90er- Versilberung. Eine Kontur mit akzentuiertem Randprofil rahmt den nun deutlich sachlich-glatten Stiel in einer für ihn charakteristischen lang gezogenen, schlanken Spatenform, deren Flächenornamentierung nahezu aufgegeben wurde – ein deutliches Zeichen für den Einfluss des Werkbundgedankens und dessen Postulat „der reinen Form“.
Ein anderes für das „Deutschen Warenbuch“, ausgewählte Besteck ist das um 1913 von Karl Groß entworfene so genannte „Perlbesteck“.
In: Deutsches Warenbuch, hrsgeg. von der Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft, Dresden-Hellerau 1915, S.160/ M337 (identisch); Kat. Silber aus Heilbronn für die Welt. P.Bruckmann & Söhne (1805-1973), Heilbronn 2001, Besteck-Muster Nr. 5351, nach Besteckmustertafel S.206. Vgl auch ebenda S.169, Kat.Nr.135 („Juwelierbesteck“, 1911-12); Barbara Grotkamp-Schepers/ Reinhold Sänger: Bestecke des Jugendstils, Nr.12; Klaus Marquardt: Europäisches Essbesteck, Stuttgart 1997, Nr.591; Deutsche Kunst und Dekoration 1899/1900, Abb.S.25 („Secessionsbesteck“); Dekorative Kunst 2 1899, S.145, Abb.S.153/154. Weiterführend: H. Rezepa-Zabel: Richard Riemerschmid, in: Sammler Journal, Oktober 2013, S.26-34.
Preisref.: Auktionshaus Arnold Frankfurt am Main, Auktion A176, 6.März 2010,
Lose 449- 463, Richard Riemerschmid Sezessionsbesteck, Verl. Silberwarenfabrik P. Bruckmann & Söhne ed., komplettes Besteck für 6 Personen, Zuschlag insges. 120 000 €, (davon 2 Besteckgedecke, jeweils Zuschlag 9000 €); Von Zezschwitz München, 74. Auktion, 19.4.2012, Los 100, Verl. Silberwarenfabrik P. Bruckmann & Söhne ed. für C.Weishaupt München, Taxe 1400 € (21 Teile monogrammiert); Quittenbaum München, 54. Auktion 10.10.2005, Los 402, Zuschlag 850 € (7-teilig monogrammiert); Von Zezschwitz München, 73. Auktion 19.4.2012, Los 100, Taxe 1400 € (21-teilig monogrammiert), Zuschlag 3000 €.
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