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Von „Urbino“ bis „Stambul“. Porzellanentwürfe der KPM 1929 – 197

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Als Beitrag zum 250-jährigen Bestehen der KPM Berlin zeigt das Keramik-Museum Berlin (KMB) eine Ausstellung der KPM Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin. Dabei ergänzen zahlreiche Leihgaben des Manufakturarchivs sowie Objekte aus öffentlichen und privaten Berliner Sammlungen den eigenen Bestand.

Betrachtet wird die Moderne mit über 100 Gefäßen und Objekten der Zeitspanne 1929 bis 1970 als Teil der Designgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Präsentation gewährt einen Blick auf vier Jahrzehnte Formgestaltung. „War „Urbino“ der große Wurf der dreißiger Jahre, so ist „Stambul“ stilistisch der große Wurf der sechziger Jahre. „Urbino“, das Erfolgsservice von Trude Petri, markiert den Beginn, zu dem auch die Arbeiten von Marguerite Friedlaender und Gerhard Marcks zählen. Die KPM der Nachkriegszeit wird u. a. mit den Entwürfen von Siegmund Schütz und Hubert Griemert repräsentiert. Mit Wolf Karnagels Mokkaservice „Stambul“ endet die Präsentation dieser bislang wenig betrachteten, aber künstlerisch-innovativen 40 Jahre der KPM.

Keramik-Museum Berlin, Schustehrusstraße 13, 10585 Berlin
1.9. 2013 – 27.1.2014, täglich außer dienstags 11 bis 17 Uhr, Eintritt 2,- €

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Avantgarde für den Alltag. Jüdische Keramikerinnen in Deutschland 1919-1933.

Bröhan Zeisel Teeservice

Bröhan Heymann Marks TeeserviceEva Stricker-Zeisel, Margarete Heymann-Marks, Marguerite Friedlaender-Wildenhain, Ausstellung vom 28. Februar bis 20. Mai 2013 im Bröhan-Museum, Berlin

Im Rahmen des Berliner Themenjahrs „2013 – Zerstörte Vielfalt“ zeigt das Bröhan-Museum eine Sonderausstellung mit etwa 180 Exponaten zu drei jüdischen Keramikerinnen der Avantgarde: Marguerite Friedlaender-Wildenhain, Margarete Heymann-Marks und Eva Stricker-Zeisel. In der angewandten Kunst vor 1933 waren es gerade Frauen, nicht selten mit jüdischem Hintergrund, die durch ihre künstlerische Begabung, ihre Durchsetzungskraft und ihre Experimentierfreude großen Anteil an der Entwicklung einer „Avantgarde für den Alltag“ in Deutschland hatten. Exemplarisch wird dies in der Ausstellung anhand der Werke und Biografien der genannten Keramikerinnen gezeigt. Alle drei schufen wegweisende Formen und Dekore für Objekte des täglichen Gebrauchs. Als Jüdinnen blieb ihnen nach 1933/38 die Fortsetzung ihrer beruflichen Laufbahn in Deutschland verwehrt. Sie gingen ins Exil nach Großbritannien oder in die USA.


BRÖHAN-MUSEUM  Landesmuseum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus (1889 – 1939)
Schloßstraße 1a  14059 Berlin (Charlottenburg)

Öffnungszeiten: Di bis So von 10 bis 18 Uhr und an allen Feiertagen.

Eintritt: 6,- €, erm. 4,- € (inkl. Eintritt Dauerausstellung), jeden ersten Mittwoch im Monat Eintritt frei.

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Bayers Notgeld – Design in der Krise

Die galoppierende Inflation in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg war eine der radikalsten Geldentwertungen, die eine große Industrienation je erlebt hat. Bereits am 4. August 1914 hob die Regierung mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges die gesetzliche Noteneinlösungspflicht der Reichsbank in Metallgeld bzw. Gold auf. Das hatte zur Folge, dass bereits 1918 die Mark durch die Finanzierung des Krieges schon mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren hatte, wobei auf dem Schwarzmarkt der Inflationsindex noch wesentlich höher lag.

Das Geld, das man dann in den Anfangsjahren der Weimarer Republik druckte, um die Staatsschulden zu beseitigen, machte die Hyperinflation unausweichlich. Immer schneller verzehnfachte sich die Abwertung gegenüber dem US-Dollar, bis schließlich im November 1923 der Kurs für 1 US-Dollar 4,2 Billionen Mark entsprach. Die maximale monatliche Inflationsrate betrug 32.4 %. Damit vervierfachten sich die Preise pro Woche. Im November ließ die Reichsbank als höchsten Wert einen Geldschein über 100 Billionen Mark (100.000.000.000.000 M) drucken. Zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs wurden riesige Mengen an Scheinen benötigt. Bis zu 133 Fremdfirmen mit 1.783 Druckmaschinen arbeiteten im Herbst 1923 für die Reichsdruckerei Tag und Nacht. Das dafür erforderliche Banknotenpapier wurde von 30 Papierfabriken produziert. Für den Druck stellten 29 galvanoplastische Werkstätten rund 400.000 Druckplatten her. Etwa 30.000 Menschen waren mit der Herstellung der insgesamt ca. 10 Milliarden staatlich ausgegebenen Inflationsscheine (10.000.000.000 Stück) beschäftigt. Der Begriff „Papiermark“ wurde nachträglich eingeführt, um das Inflationsgeld von der vollwertigen Vorkriegs-Goldmark von vor August 1914 zu unterscheiden. Trotzdem reichten die verfügbaren Zahlungsmittel nicht aus. Die Druckmaschinen konnten den schwindelerregenden Wertverlust während der Hyperinflation einfach nicht mehr durch vermehrten Notendruck ausgleichen. Deshalb wurden von mehr als 5.800 Städten, Gemeinden und Firmen eigene Notgeldscheine herausgegeben. Die Bevölkerung nahm alles als Zahlungsmittel an, was wie Geld aussah oder irgendwie „wertbeständig“ wirkte. Insgesamt sind über 700 Trillionen Mark (700.000.000.000.000.000.000 M) als Notgeld und rund 524 Trillionen Mark (524.000.000.000.000.000.000 M) von der Reichsbank verausgabt worden.

Die kommunalen Notgeldausgaben brachten aber neben einigen Vorteilen auch große Nachteile für die Bevölkerung mit sich. Das Notgeld galt nur in den jeweiligen Ausgabeorten, selten weiter als im Landkreis. Darunter litt natürlich der Handel. Reisende mussten sich immer erst vor Ort das jeweils gültige Geld besorgen. In diese Zeit des aufgeblähten Geldumlaufs fallen die Ausgaben des „Notgeldes des Landes Thüringen“. Der Antrag überregionales Geld für die Gemeinschaft der thüringischen Staaten herzustellen wurde am 21. September 1922 in einer ersten Notgeldbesprechung mit dem Staatminister des Reichsfinanzministeriums gestellt, stattgegeben wurde dieser am 8. August 1923, die erste Ausgabe der Scheine erfolgte am 10. August 1923.

Es war kein Geheimnis und sprach sich schnell herum, dass ein einheitliches Notgeld hergestellt werden sollte. Verschiedene Druckereien und andere Firmen boten umgehend ihre Dienste an. Die künstlerische Gestaltung des überregionalen Notgeldes wurde aber dem Maler und Typographen und derzeitigem Jungmeister des Bauhauses Herbert Bayer übertragen. Praktisch über Nacht stellt der 23igjährige, in der liberalen Festung Weimar ein überzeugendes, funktionstüchtiges, die jüngsten programmatischen Ideen des Bauhauses umsetzendes Konzept auf die Beine. Schon zwei Tage später am 10.8. 1923 wurde die erste Serie A Nr.00001 bis Nr.48000 druckfrisch ausgegeben. Die Nennwerte erschienen in Serien von A-Z, erweitert durch AA,BB,CC,DD mit wechselnden Druckfarben. Den Nennwerten und Serien lassen sich bekannte Ausgabedaten zuordnen.

Bis zum 10. Dezember 1923 wurde die Staatsbank in Thüringen ermächtigt Notgeld auszugeben. Zum Schluss bis zu einem Gesamtbetrag von 3 Trillionen Mark. Der höchste Nennwert betrug 2 Billionen. Die gestalterische Grundkonzeption der Scheine über eine Million Mark blieb bis zu den Scheinen von 100 Millionen und 500 Millionen Mark Nennwert erhalten. Bei den Scheinen von 100 Millionen und 500 Millionen Mark wurden allerdings statt der bisher verwendeten serifenlosen Linearantiquaschriften Frakturschriften verwendet.

Die sachliche, unkomplizierte und zweckmäßige, fast uniforme Gestaltung der Noten brachte natürlich Vorteile bei der schnellen Herstellung dieses Notgeldes mit sich. Der thüringische Finanzminister versicherte, dass das Notgeld des Landes Thüringen nur in Weimar bei der Staatsbank und bei der Weimarer Firma Dietsch & Brückner hergestellt wurde. In den ersten Serien wurden auch verschiedene Geheimzeichen aufgenommen, so z.B. Serien mit großen und Serien mit kleinen fortlaufenden Nummern, mit und ohne Stern. Eine weitere Besonderheit der ersten Serien ist beim Wort Million, das auf einer schraffierten Linie steht. Hier ist das „o“ in der unteren Rundung in der Mitte gebrochen. Bei dem auf der rechten Seite querstehenden Schriftsatz in schwarzer Farbe ist in der 4. Zeile nach dem Wort „Notgeldscheines“ ein Bindestrich. Dieser ist ebenfalls gebrochen. In der 5. Zeile „gegen Umtausch in Reichsbanknoten“ ist bei dem „i“ von „in“ der Punkt weggelassen worden.

Der Druck erfolgte durchweg auf Wasserzeichenpapier, wobei das Wasserzeichen einige Male gewechselt wurde. Das Papier ist weiß, holzfrei und hat ein Papiergewicht von 70g/m² bei den Scheinen bis 50 Millionen Mark. Bei den Scheinen von 100 bis 500 Millionen Mark ist das Papiergewicht etwa 90g/m² und bei den Scheinen ab 1 Milliarde Mark 100g/m².

Herbert Bayer nahm 1921 sein Studium am Bauhaus bei Wassily Kandinsky in der Klasse für Wandmalerei auf, das er zwei Jahre später mit der Gesellenprüfung abschloss. Im gleichen Jahr machte Walter Gropius ihn zum Jungmeister der neuen Werkstatt für Druck und Reklame. Die zwischen Juli und September 1923 stattfindende Bauhausausstellung hatte entscheidend zur Klärung des Selbstverständnisses und zur Präzisierung der Zielvorstellungen des Bauhauses beigetragen und die Notgeldscheine sind ein erstes, bisher kaum beachtetes Zeugnis des berühmten Umschwunges, als Walter Gropius das Bauhaus mit dem Schlagwort „Kunst und Technik“ eine neue Einheit von der handwerklichen auf eine technische Gestaltungsgrundlage hin orientierte.

Deutlich erkennt man an Bayers Entwurf den Einfluss der holländischen De-Stijl Bewegung, die zwischen 1921 und 1923 maßgeblich durch den Künstler, Provokateur und Theoretiker Theo van Doesburg in Weimar verbreitet wurde. Bayer nahm das Spiel mit den De-Stijl typischen, starken Farben und Elementarformen, mit Symmetrie und Asymmetrie gekonnt und spielerisch auf. Er ordnet klar umrissene rechteckige Flächen zueinander, horizontal und vertikal, trotz einheitlicher Farbgebung.

Es gelingt ihm nicht nur ein über Werte und Serien hinaus standardisierbarer Entwurf, sondern ein ebenso herausragender, wie moderner. Das wird umso deutlicher, führt man sich vor Augen, dass für die Papiermark gedämpfte Farben und eine Bildsprache gebräuchlich waren, die bevorzugt Wappen, Volkshelden oder historischen Themen aufnahm, gerahmt, verschnörkelt in einer altdeutschen Schrift sprachen sie die gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse an – Formeln zur Stärkung der Volksgemeinschaft – Samen der Blut und Boden-Ideologie.

Interessant, vor allem auffällig, scheint die Wahl der kräftigen Farben, die in einem nahezu regelmäßigen, zeitlich engen Turnus – nach ein bis drei Tagen – ausgegeben wurden. Obgleich der Einsatz der Druckfarben mit Sicherheit abhängig von dessen Verfügbarkeit war, wechseln diese doch konsequent in der kurzen Abfolge. Mit den Notgeldscheinen wurde in einzigartiger Weise ein Farbreigen in Umlauf gebracht – eine eigene Farbtafel für Jedermann. Bayer gelang die wechselnde Abfolge der Primärfarben Gelb, Rot, Blau mit Sekundärfarben (Mischungen zweier Primärfarben) Orange, Grün, Violett und Tertiärfarben (Mischungen zweier Sekundärfarben) Citrin, Russet und Olive, Farben, mit denen Kandinsky seine Farblehre begann.

Zunächst hielt es Kandinsky für zweckmäßig die Farben zu isolieren und dann im Kontext mit anderen zu betrachten. Neben der Untersuchung des jeweiligen „inneren Klanges“ der einzelnen Farben trat in Kandinskys Unterricht ein eingehendes Studium der Beziehungen der Farben zueinander. Über seine Einstellung am Bauhaus zum Problem der Harmonie der Farben lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Festzuhalten ist aber, dass er systematisch untersuchen ließ, wie sich die Farbgebungen je nach Flächengröße und Farbgebung verändern. Bayer scheint sein Publikum, ebenso wie Kandinsky einladen zu wollen, über die Wirkung einzelner Farben und das Zusammenspiel verschiedener Kombinationen nachzudenken.

Die zügig und in großen Mengen in Umlauf gebrachten Scheine präsentierten nicht nur die Schule wirkungsvoll nach außen, sondern warben für pädagogischen Methoden und unkonventionelle Ideen. Vor allem plädierten sie für Neuerung statt Rückzug, für künstlerisches Ethos statt leerem Pathos. Die Notgeldscheine lassen das große Potential von Herbert Bayer ahnen, der seinem Erfolg als einer der profiliertesten und international bekanntesten Typographen des 20. Jahrhunderts voranging.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel

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Künstliche Schönheiten

In den fünfziger Jahren verdrängte der Begriff „Plastik“ das bis dahin gebräuchliche Wort „Bakelit“, das Leo Hendrik Baekeland seit 1909 vermarktete. Sein „Bakelit“ eignete sich für „tausend Zwecke“ und damit floss der Begriff ebenso in den allgemeinen Sprachgebrauch ein, wie zuvor Dynamit, Colt und Sandwich. In den dreißiger und vierziger Jahren war „Bakelit“ zu einem Sammelbegriff für Phenoplaste und Aminoplaste geworden und das hatte durchaus seine Berechtigung, denn mit Baekelands Patenten waren bereits viele der nach und nach angewandten Möglichkeiten zur Herstellung von Pressstoffen gegeben. Die in den zwanziger und dreißiger Jahren entwickelten und geprüften, farbigen Kunststoffe kannte man auch unter anderen Namen.

Einen weiteren Schritt nach der Einführung des Phenolharzes durch Baekeland begründete die British Cyanides Company, die 1924 /25 auf der großen Ausstellung des Britischen Weltreiches in Wembley einen Formpressstoff bekannt machte, der als „die neue weiße Hoffung“ begrüßt wurde und erstmals ein Farbspektrum in Aussicht stellte, das bisher unerreicht war. Da die dort gezeigten Fläschchen mit dem Firmenzeichen – einem Käfer – versehen waren, nannte man die Masse fortan „Beetle“ oder „Beatl“. „Urea formaldehyde“ nannten die britischen Chemiker den Kunststoff, übersetzt Harnstoff-Formaldehyd.

War der Pressstoff, den die Rütgers-Werke in Berlin Erkner zur Produktionsreife geführt hatten, auch der Industrie liebstes Wunderkind, so führte es doch den Nachteil mit sich, dass es nur in einer begrenzten dunklen Farbpalette, die zwischen Rot, Braun und Schwarz variierte, zu haben war. Sofern es sich um mehr als technische Teile handelte, versuchten Kunststoffhersteller so weit wie möglich dem Serienprodukt eine individuelle farbliche Note mitzugeben. Im besten Fall gelangen aber nur exotische Farbschattierungen, die als Holzmaserungen oder Marmormusterungen galten, oder eine Art Eisblumendekor, der durch Beimischungen von Blattgold und -silber erzielt werden konnte. Man bestäubte das Pressharz auch mit Kupferpuder, Ruß und Gesteinsmehl. Wollte man darüber hinaus das Formstück durch helle Teile, wie Griffe, Handhabungen und Knäufe beleben, hatte man sich mit Proteinoplasten, im Besonderen Galalith zu behelfen. Diese als Kunsthorn bezeichnete Masse brachte seit 1885 erstmals kräftige und leuchtende Farben hervor. Nur waren seine Gebrauchseigenschaften gegenüber einem „Bakelit“ minderwertig. Das Material war feuchtigkeitsempfindlich und veränderte rasch seine Gestalt.

Da phenolhaltige Pressmassen nur in dunklen Einfärbungen relativ lichtecht sind, suchte man nach anderen Wegen und Basisrohstoffen.

1920 entwickelte die Firma Raschig in Ludwigshafen ein Phenolgießharz, das als Edelkunstharz unter den Handelsnamen Dekorit, Leukorit, Resinol, Vigopas und Vigorit noch in den 30iger Jahren vertrieben wurde. Es handelte sich um hochwertige Formaldehyd Kondensationsharze aus Phenol und seinen Homologen (engl. cast phenolic resin).

In einem aufwendigen und deshalb sehr kostspieligen Verfahren wurden der Rohstoff ohne Füllstoffe in handgemachte Gehäuse aus Blei, Glas oder Messing gegossen, die jeweils nur einmal verwendet werden konnten. Die honiggelbe bis durchsichtige Masse musste dann drei Tage lang in Öfen bei Temperaturen von 60 bis 100 °C ohne Druckanwendung getrocknet werden. Das Ergebnis war ein sehr schöner, relativ widerstandsfähiger, höchst brillanter Werkstoff, der in allen Farben eingefärbt werden konnte, anschließend poliert wurde, bis die Oberfläche schillerte und jenen charakteristischen Glanz abgab, der heute die betuchten Sammler fasziniert. Im Fokus standen dementsprechend Luxusartikel in gediegenen Formen, wie Zigarettenetuis, Feuerzeugen, Büroutensilien, Schatullen aber auch Schmuckstücke, vor allem als Bernstein-Imitat. Die Lokalfarben erwiesen sich als auf Dauer nicht lichtbeständig. Selbst recht dunkle Farben wie Rot, Grün oder Blau konnten ihren ursprünglichen Ton nicht halten. Pastelltöne oder ein reines Weiß ließen sich nicht erzielen. Zudem war Phenolharz grundsätzlich spröde, so dass der Werkstoff auch nur für dekorative Zwecke verwendet werden konnte. Noch bedenklicher schien der recht kräftige Phenolgeruch, der eine Verwendung im Zusammenhang mit Lebensmitteln von vornherein ausschloss.

Weltweit hatten Chemiker an Möglichkeiten gearbeitet, Pressmassen in einer größeren, hellen und leuchtenden Farbauswahl, als vollwertigen Ersatz für das ursprüngliche Bakelit, herzustellen.

Der Tschechoslowake Hans John soll schon früher fündig geworden sein, als der Wiener Chemiker Fritz Pollack und der Brite Edmund Rossiter, die beide 1924 erfolgreich waren.

In Deutschland konkurrierten vor allem die Dynamit Nobel AG in Troisdorf und die Heinrich Römmler AG in Spremberg in der Niederlausitz um die Herstellung des neuartigen Pressstoffes unter den Namen „Pollopas“ und „Resopal“, das zunächst „Alboresin“ hieß. Diese neuartigen Materialien besaßen für die damalige Zeit so wunderbare Eigenschaften wie Farbtiefe, Widerstandsfähigkeit gegen Chemikalien und Temperatur, Lebensmittelechtheit und große Härte, dass sie zunächst für Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs verpresst wurden.

Um ein möglichst reines Weiß zu erhalten, das hygienischen, wie gehobenen Ansprüchen entgegenkam, wurden Harnstoffharze mit gebleichter Cellulose vermischt und ab 1931 unter dem Namen „Plaskon“ angeboten.

Schon 1926 präsentierte der exklusive Londoner Kaufpalast „Harrods“ Geschirre aus dem neuen Kunststoff in seiner Abteilung für Drechslerwaren. Der Andrang war so phänomenal, dass die englischen Hersteller in der Londoner Regent Street bald ein eigenes Ladengeschäft eröffneten, in dem ausschließlich „Beetleware“ verkauft wurde. Andere Hersteller boten die chicen Tischuntensilien unter den Namen „Lingalonga“ („Halt’ dich länger“) und „Bandalasta“ (nach Brookes and Adams – B(rookes)ANDA(dams) und LAST A long time) an. Der britische Hersteller Brooks & Adams vertrieb seine Teller, Tassen, Schalen, Behältnisse aller Art und Kerzenleuchter mit und ohne Marmorierung über ebenso farbenfrohe Verkaufkataloge. Ab 1932 nahm er noch Picknickkoffer in sein Programm auf und diese wurden der Hit der kommenden Jahre. Die Erzeugnisse belebten nicht nur die häusliche Umgebung, sondern trugen mit ihrer Bruchsicherheit und ihrem geringen Gewicht auch den Bedürfnissen der mobil werdenden Gesellschaft Rechnung.

Nach der großen „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ in Paris im Jahr 1925 verband man die farbigen Kunststoffe ganz selbstverständlich mit einem Stil, der im Rückblick „Art Déco“ genannt wurde.

Art Déco brachte die Moderne, das neue Lebensgefühl und die außergewöhnliche künstlerische Vielfalt, in der orientalische Farben, kubistisch-abstrakte Formen und futuristisches Stromliniendesign keinen Widerspruch darstellten, auf den Punkt. Das Repertoire der Verarbeitung der „Bakelite“ schien grenzenlos. Seine Verwendbarkeit, seine Formenvielfalt, sein breites Farbspektrum, eingeschlossen seiner Möglichkeiten Naturmaterialien, wie Elfenbein, Horn, Schildpatt, Jade und Onyx zu imitieren oder es mit Edelmetallen, mit Rheinkieseln und echten Steinen zu kombinieren, wurde Konsumenten ebenso eindringlich vorgeführt, wie die überraschende Höhe der kunsthandwerklichen Verarbeitung und Formfindung. Bemerkenswert ist wie „schmuckhaft“ die neuen und alten Accessoires für die Damen gefertigt waren. Zigarettenspitzen, Abendtaschen oder kleine Behältnisse, „vanities“ und „minaudières“ für unerlässliche Kosmetika wie Puder oder Lippenstift sind weit mehr Schmuckstück als Gebrauchsgegenstand und belegen eindrücklich den unbändigen Wunsch nach Abgrenzung in diesen Jahren. Noch bevor die legendäre Coco Chanel 1928 den Modeschmuck wirklich salonfähig machte, war er 1925 in Paris, wo allein 40 Hersteller von Modeschmuck ihre Schmuckstücke präsentierten, längst Tagesgespräch. Spektakulär waren die großen französischen Juweliere, die mit ausgesprochen avantgardistischen Entwürfen herausragende Kreationen vorstellen und auch nicht vor der Verwendung der neuen Kunststoffe Halt machten. René Lalique fertigte Gießharzentwürfe für Broschen und Schmuckdosen an. Sein Mitarbeiter Eduard Fornells, stellte ebenfalls in seinem Pariser Atelier Ziergegenstände aus Harnstoff her. Um 1930 zogen auch die Cartier Juweliere mit Schmuckentwürfen nach.

Ein Wegbereiter des Kunststoffschmucks war die französische Manufaktur des Auguste Bonaz. Seine signierten Kreationen zeichneten sich durch eine wohl aufwendig gearbeitete, aber einfache geometrische Formgebung und starke Farbkontraste aus.

Nach 1925 bezogen auch deutsche Schmuckshersteller, wie Jacob Bengel in Idar-Oberstein und Henkel & Grosse in Pforzheim Kunststoffe in ihre Entwürfe ein. Über viele Jahre wurden die Schmuckstücke der Bengelproduktion für französische Arbeiten gehalten. Ihre strenge technoide Formensprache verdankten sie aber letztlich dem Bauhaus. Henkel & Grosse erlebte seinen eigentlichen Höhepunkt mit „Christian Dior Bijoux“ für dessen Herstellung die Firma in den 50iger Jahren die Exklusivlizenz erhielt. Ihr neunsträngiges Perlen-Collier für Dior fertigte das Unternehmen aus elfenbeinfarbenen Bakelitperlen, deren Materialqualität in dem vergoldeten Verschluss noch unterstrichen wurde.

Bereits in den zwanziger Jahren schwappte der Boom der farbigen Kunststoffe auch nach Amerika über. Nachdem die Monopolstellung der Bakelit-Patente hinsichtlich Herstellung und Verarbeitung von Phenoplasten ab 1927 bis 1931 ausgelaufen war, herrschte auch dort eine lebhafte Aufbruchstimmung in der Kunststoffindustrie.

„Juwelenhafte Schönheit“ wurde dem „Catalin“ zugesprochen, das die „American Catalin Corporation“ entwickelte und ab 1930 auf den Markt brachte. Das Unternehmen erzielte ein breites Spektrum satter Farben, etwa Rot, Orange, Grün, Gelb und subtile Pastelltöne, in einer Palette von durchscheinend bis schrillweiß. Sie strahlen noch heute so kräftig wie am ersten Tag. Catalin ließ sich in Formen gießen und anschließend durch Schnitzen, Fräsen, Drechseln, Sägen, Bohren weiterverarbeiten. Eine Bandbreite dieser Möglichkeiten führt die Palme, das Symbol der oft auch als „Hollywood-Stils“ bezeichneten amerikanischen Moderne vor.

Zeitgleich warteten in Europa schon andere Chemiker mit einem wesentlichen verbesserten Kunstharz auf, einem Kondensat von Melamin und Formaldehyd.

Die künstlichen Polymere drangen rapide in die Lebenswelt Amerikaner und der Europäer ein, schienen restaurative Tendenzen ganz auszuschließen und waren geradezu prädestiniert auch Vorstellungen des Funktionalismus in weite Bevölkerungsschichten zu tragen. Es war nur folgerichtig, dass in einem Bereich, wie die Küche, in dem Nützlichkeit und nicht Dekor immer die wichtigste Rolle gespielt hatte, Ideen greifen konnten, die Zeit und Aufwand zu sparen versprachen. Bei Verbrauchern mussten kaum Vorurteile gegen die neuen Kunststoffe überwunden werden. Die vielen nützlichen Alltagshilfen, groß, klein, einfach oder technisch raffiniert und ebenso die modischen Accessoires, ihr faszinierendes Erscheinungsbild machten gesellschaftliche Veränderung sichtbar und erlebbar.

Zu Beginn der dreißiger Jahre beauftragte die deutsche Kunststoffindustrie erstmals Formgestalter, die bereits mit den Ideen des Deutschen Werkbundes und Bauhauses vertraut waren, Entwürfe für kunststoffgerechte Gebrauchsartikel und Geräte anzufertigen. Im Wesentlichen ging es allen Beteiligten darum, dass die Dinge den Menschen vor allem das Leben erleichtern sollten, statt sich von eigenmächtigen Modelaunen leiten zu lassen. Obwohl sich das Bauhaus den für die Massenproduktion so leicht handhabbaren Harzen erstaunlicherweise verschloss, waren es doch der auf die Schule verweisende Anspruch und sein formales Repertoire, das den Kunststoffen zu mehr Aufmerksamkeit verhalf. Vorzügliche Geschirre entwarfen Christian Dell, der ehemalige Werkmeister der Metallwerkstatt des Bauhauses in Weimar für die Römmler AG und auch der vielseitige Kunstgewerbelehrer Friedrich Adler für die Brebit-Pressstoffwerke. Ihre funktionalen Formgebungen bestätigten sich in den kompakten, geschlossenen Pressformen, ohne Hinterschneidungen, in glatten Oberflächen, gerundeten Ecklösungen und Flächenübergängen.

Zweifelsfrei sind die „künstlichen Schönheiten“ aus Bakelit beeindruckendes Substitut und Surrogat, noch mehr sind sie heute materialgeschichtlich unwiederbringliche Dokumente und stellen eine die Moderne weit übergreifende Anthropologie des Geschmacks und Sozialgeschichte der Produktkultur zur Verfügung.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel
Zu Bakeltit bzw Kunststoffen siehe weiterführend im Sammler Journal Artikel von Dr. H. Rezepa-Zabel: Bakelit, Teil 1, in: Sammler Journal, Dezember 2009, S.50-59; Teil 2, in: Sammler Journal, Januar 2010, S.48-57. Kunststoffe 40er- bis 70er Jahre, Teil 1, in: Sammler Journal, Januar 2012, S.52-58; Teil 2, in: Sammler Journal, Februar 2012, S.52-58; Teil 3, in: Sammler Journal, März 2012, S.94-99.l

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Bakelit erkennen

Grundsätzlich lässt sich ein künstlicher Stoff mit eindeutiger Sicherheit nur durch chemisch-analytische, invasive Verfahren identifizieren und diese können nur in entsprechend ausgestatteten Laboratorien vorgenommen werden. Solche Analysen sind ebenso aufwendig wie kostspielig.

Will man sein Stück aber nicht beschädigen, aber dennoch eine Wahrscheinlichkeit nahe legen, dass Bakelit vorliegt, bieten sich verschiedene, mehr oder weniger unspezifische Prüfungen an.

Aussehen:

Ein erster Eindruck lässt sich über die Oberfläche des Stückes gewinnen.
Die Farben der Phenolpressmassen – die vorzugsweise als Bakelit gelten – variieren zwischen Schwarz, Dunkelbraun, Rotbraun und Grünbraun, allenfalls war ein gelbliches Braun möglich. Andere Farbverläufen wurden der Masse während des Pressvorganges z.B. durch Kupferpuder und Gesteinsmehl lediglich aufgeschmolzen.

Die im Laufe der zwanziger und dreißiger Jahre entwickelten Phenolgießharze – wozu auch Catalin zählt – und die Aminoplaste (Harnstoff- und Melaninharze), die bis in die sechziger Jahre unter den Begriff Bakelit gefasst wurden, konnten in hellen, bunten und durchscheinenden Farben hergestellt werden. Sie sind “von Natur aus” glatt und weisen oft nur an ihren Unterseiten oder in Zwischenräumen unbearbeitete oder matt geschliffene Schnittflächen des Rohbakelits auf. Im Vergleich sind die Oberflächen der Phenolpressmassen auf Grund der zugefügten Füllstoffe nie glatt, selbst dann nicht, wenn sie wunderbar glänzen. Immer zeichnen sich kleine und kleinste Unebenheiten ab. Oft lassen sich auch kleine Risse und poröse Stellen finden.

Phenolgießharze, wie Catalin, sind nicht leicht von Harnstoffharzen zu unterscheiden. Alle Farben bleichen im Sonnenlicht gleichermaßen aus. Bevorzugt wurden Phenolgießharze der zwanziger Jahre aber in gediegenen Tönen, insbesondere in dem natürlichen Farbspektrum der Bernsteine. Ihre Formteile wurden meist im Nachhinein zusammengesetzt. Sie sind verzinkt, genagelt, auch verschraubt, aber nicht geklebt. Man begann erst Ende der fünfziger und sechziger Jahre kleinere Teile – vor allem im Bereich Schmuck – miteinander zu verkleben. Im Vergleich zu Catalin, weisen die Lokalfarben der Harnstoffharze insgesamt mehr Leuchtkraft auf. Betrachtet man letztere direkt vor einer Lichtquelle werden noch Wellen und Rippen sichtbar. Oft wurden diese Schlieren durch Hinzufügung subtiler Farben zusätzlich verstärkt. Dadurch entstand der Effekt einer Marmorierung.

Im Gegensatz zu den Harnstoffharzen wurden Stücke aus Catalin eher dicker ausgeformt. Bevorzugt kombinierte man auch verschiedene Lokalfarben in einem Stück. Behältnisse aus Harnstoffharzen sind dagegen eher dünnwandig und beschränken ihre Farbauswahl meist auf ein bis zwei Farben.

Hör-Test:

Bakelite klingen – sofern sie sich aneinander stoßen lassen – kräftig und hell, vergleichbar den Tönen die Castagnietten erzeugen. Dünnwandige Stücke klingen ähnlich, aber leiser, schon wenn man sie mit dem Fingernagel anschnippt.

Riech-Test:

Unverwechselbar ist der Geruch, den Phenolharz beim Erhitzen erzeugt. Der Versuch an der Oberfläche zu reiben bis es heiß wird, ist oft erfolglos und daher nicht sehr aussagekräftig. Gießt man heißes Wasser darüber, vermag man eher zu Erfolg kommen. Bei Phenolharzen wird ein typischer Formaldehydgeruch frei, der als Allerweltschemikalie auch über viele stechende Desinfektionsmittel bekannt ist. Harnstoffharz riecht dagegen „fischig”, Galalith nach „verbrannter Milch” und Celluloid nach Kampfer oder Essig.

Färbe-Test:

Reibt man mit einem Tuch, oder einem Q-Tip, das mit einer Silber- oder Chrompolitur getränkt ist, an dem Stück, färbt es sich gelblich. Ratsam ist es, dafür eine uneinsehbare Stelle zu wählen, weil diese Anwendung die Oberfläche etwas angreift. Der “Gelbton“ variiert von Stück zu Stück, denn sowohl die verschiedenen Phenolharze, wie die Farben selbst, liefern jeweils ein unterschiedliches Gelb. Beispielsweise erzeugt ein Grün einen etwas dunkleren Gelbton als ein Rot.

Dieser Test kann nur funktionieren, wenn das edle Stück nicht lackiert ist, oder seine „Patina” nicht bereits restlos entfernt wurde.

Hitze-Test:

Erhitzt man eine Nadel und bringt diese mit dem Kunststoff in Verbindung, bleibt das Stück – wenn Bakelit vorliegt – unbeschädigt. Dabei ist äußerste Vorsicht geboten, denn manche Kunststoffe sind entflammbar, oder verändern sich an der betreffenden Stelle farblich. Bernstein wird sich sogar verformen.

Gewicht:

Im Vergleich zu den jüngeren, seit den fünfziger Jahren auf der Basis von Erdöl produzierten Kunststoffen – auch im Vergleich zu natürlichem Bernstein – ist die Familie der Bakelite schwerer. So schwimmt Bernstein in einer 16-prozentigen Lösung von Kochsalz in Wasser (weißer und schwarzer Bernstein schwimmt noch in einer 6-prozentigen Lösung), während Bakelite absinken.

Marken:

Über Markierungen von Kunststoffen könnte manches zusammengetragen werden. Bereits eine Zusammenstellung nur der wichtigsten Hersteller und weiterverarbeitenden Betriebe ist ein Desiderat von Forschern und Sammlern.

Hier kann nur so viel Erwähnung finden: In Deutschland wurden ab 1928 die Rezepturen, die jeweils speziell auf ihren Gebrauch hin entwickelt waren, mit einem Kontrollstempel des Materialprüfamtes Berlin-Dahlem, den die „Technische Vereinigung der Hersteller und Verarbeiter typisierter Kunststoff-Formmassen e.V.” einführte, versehen. In dem Prüfzeichen identifiziert ein zweistelliger Code über dem stilisierten M das Presswerk, der Code unter dem M die Art der Pressmasse.

Bei den Handelsnamen von Kunstoffen war und ist es in Deutschland noch oft verbreitet, Firmen und Ortsnamen einzubinden. Beispielsweise hat die damalige Firma Albert die Phenoplast-Lackharze herstellte, die Bezeichnungen Albertol, Albertit und Albermit eingeführt. Ebenso dürfte man bei der H.Römmler AG in Spremberg auf den Namen „Hares” gekommen sein, das den Initialen „HRS” erwachsen war.

© Dr. Heide Rezepa-Zabel

Zu Bakeltit bzw Kunststoffen siehe weiterführend im Sammler Journal Artikel von Dr. H. Rezepa-Zabel: Bakelit, Teil 1, in: Sammler Journal, Dezember 2009, S.50-59; Teil 2, in: Sammler Journal, Januar 2010, S.48-57. Kunststoffe 40er- bis 70er Jahre, Teil 1, in: Sammler Journal, Januar 2012, S.52-58; Teil 2, in: Sammler Journal, Februar 2012, S.52-58; Teil 3, in: Sammler Journal, März 2012, S.94-99.

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Metallkunst im Sinne des Bauhauses

Das Deutsche Goldschmiedehaus in Hanau präsentiert bis zum 5. Juli 2009 mit der Sammlung von Giorgio Silzer mehr als 250 Objekte aus Messing, Kupfer, Zinn, Silber und Aluminium. Mehrteilige Tee- und Mokkaservice, Kannen, Schalen, Platten, Vasen, Becher, Kerzenleuchter sowie Likörsets und Schreibzeuge dokumentieren eindrucksvoll die Vielseitigkeit von handwerklicher Ausführung und maschineller Fertigung der Metallkunst des frühen 20. Jahrhunderts. Namhafte Bauhaus Künstler wie Marianne Brandt, Christian Dell, Emmy Roth, Karl Raichle, Hayno Focken sowie ausführende Werkstätten und Firmen wie Treusch in Leipzig; Christopfle & Cie in Paris, Wilkens & Söhne AG Bremen, die WMF in Geislingen, die Metallwarenfabrik Ruppelwerk in Gotha oder die Werkstätte für künstlerische Metallbearbeitung Albert Gustav Bunge belegen das breite Spektrum der Metallgestaltung inder ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Der aus Oberschlesien stammende, international bekannte Geiger und frühere Konzertmeister Giorgio Silzer (geb. 1920) trug im Laufe seiner Sammeltätigkeit eine umfangreiche Kollektion von kunsthandwerklichen Arbeiten im Bereich Metallkunst, Glas und Keramik im Besonderen des Jugendstils, des Art Décos und Funktionalismus im Sinne des Bauhauses zusammen.

Die Ausstellung „Metallkunst im Umbruch 1920er bis 1950er Jahre. Sammlung Giorgio Silzer“ ist täglich, außer montags, von 11.00 bis 17.00 Uhr, bis 5. Juli im Deutschen Goldschmiedehaus Hanau zu sehen.

Deutsches Goldschmiedehaus Hanau, Altstädter Markt 6, 63450 Hanau.
www.gfg-hanau.de, www.museen-hanau.de

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Bauhaus Re-Design

Die allgemein verbreitete Vorstellung vom „Bauhausstil“ speist sich heute vor allem aus den vielfach vermarkteten Freischwingern und der so genannten Bauhausleuchte. Als „Bauhausklassiker“ haben sie das Geschichtsbild gleichzeitig verzerrt, wie vereinfacht – durch ihre Auswahl wie durch ihre Ausstattung. Sie werden mit und ohne Lizenz vertrieben – unter der Bezeichnung Replik oder Kopie, obwohl hier „Neuproduktion“ zutreffender wäre.

Die Freischwinger mit denen das Bauhaus meist identifiziert wird, entwarf Marcel Breuer erst, nachdem er die Schule verlassen hatte. In der Regel wurden sie mit unterschiedlichen Textilbespannungen ausgestattet, der stark farbig sein konnte. Ihre Bespannungen mit Leder war eine reine Erfindung der Nachkriegszeit. Ab 1927 wurde das am Bauhaus entwickelte Eisengarn, aus fest verzwirntem, paraffiniertem Baumwollgarn verwendet.

In den ersten Jahren war das Gestell vernickelt. Eine Verchromung wurde erst ab 1928 möglich, war aber kostspielig, so dass man erst allmählich dazu überging, die Grundmetalle wie Messing oder Tombak nicht mehr nur zu vernickeln. Man sah Vor- und Nachteile: die Vernickelung wurde mit der Zeit matt, wies aber gegenüber dem weiß-bläulich schimmernden, harten Glanz des Chroms einen leicht gelblichen Farbton auf und dieser wirkte wärmer und deshalb vorerst angenehmer.
Durchaus beliebt war auch eine farbige Lackierung der Rohre. In einem Katalog von 1930 wurden 14 Farbtöne angeboten, darunter Zitronengelb, Erbsengrün und Violett.

Erst nach 1945 avancierte das Re-Design in Chrom und Lederbespannung, vor allem in schwarz oder weiß zum Klassiker. Nur so erschienen die Stühle und Sessel in den Banken, Praxen vereinzelt auch in den Wohnungen weniger anspruchslos und lebendig, optisch schwerer und zusätzlich künstlich veredelt.

Die Bauhausleuchte, wie sie heute angeboten wird und nachdem sie 1980 überarbeitet wurde, entspricht in vielen Details und in den Proportionen aller Teile nicht mehr dem „Original“ von Wilhelm Wagenfeld aus den Jahren 1923/4. Das sichtbare Gewinde rutschte nach oben, die Glühbirne sitzt heute höher, der Metallzylinder im Glasschaft zeigt einen zusätzlichen Absatz.
Und nachdem Walter Gropius und sein Mitarbeiter Adolf Meyer in Weimar 1922 ihrem Türdrücker entwarfen – gleichsam einer Skulptur aus Zylinder und Vierkantstab, einer quadratischen Rosette mit Schrauben in ihren vier Ecken befestigt – gab es in Folge für unzählige Ästhesierungen keinen Halt mehr.

Im Überfluss ist der Gebrauch immer weniger ein Argument. Der Wert der Dinge muss an ihnen selbst zu Ausdruck kommen. Bereits früher war die Anspruchslosigkeit vieler Objekte, dünnes Metall oder technisches Material problematisch, wie Marianne Brandt berichtete: „Den Leuten war Aluminium etwas Fatales, wir haben die Schirme der Leuchten deshalb manchmal auch farbgespritzt.“ Mittlerweile sind ähnliche Aluminiumleuchten in vielen Möbelhäusern erhältlich und das Bauhausprodukt würde sich für ein ungeschultes Auge wenig von ihnen unterscheiden.

Die Neuproduktionen betonen nun die Eleganz und den Wert des vom Künstler entworfenen Produktes. Die Fruchtschale von Josef Albers, im Original vernicket oder verchromt, wird nun versilbert, es gab auch schon den versilberten Weißenhof- Stuhl.

Wie hätte Gropius darüber geurteilt? Vermutlich von der Anwendung her zugestimmt, aus demokratischer Sicht sicher abgelehnt!